: Wenn schon Business, dann Big Business
Hanno Huth, der 45jährige Chef der Berliner Firma „Senator Film“, gilt derzeit als der erfolgreichste deutsche Filmproduzent. Mit „Aimée & Jaguar“ von Max Färberböck eröffnet er am kommenden Mittwoch den Wettbewerb der Berliner Filmfestspiele „Berlinale“. Ein Porträt ■ Von Axel Schock
Viel Platz ist nicht mehr für die Preise, Pokale und ausgesuchten Geschmacklosigkeiten in Gold und Silber. Auf dem Regalbrett hinter Hanno Huths geräumigem Schreibtisch drängen sich der Bundesfilmpreis Filmband in Gold für „Comedian Harmonists“, der Bayrische Filmpreis für Helge Schneiders „Texas“, der Silberne Löwe aus Venedig für „Heavenly Creatures“ und die Goldene Leinwand für „Das Kleine Arschloch“. Und die nächsten sind schon in Arbeit. „Aimée & Jaguar“, der im Anschluß an die Berlinale in unsere Kinos kommen wird, hat vorab den Bayrischen Filmpreis abgestaubt, und auch bei den Berliner Filmfestspielen hat das Drama um eine lesbische Liebe im Nazideutschland große Chancen, nicht ganz leer auszugehen.
Huth, 1953 in Essen geboren, gilt als der derzeit erfolgreichste deutsche Filmproduzent. Fast alles, was er anpackt, zahlt sich aus. Gut, da waren diese Polizisten-Komödie „Happy Weekend“ und der Katzenkrimi-Zeichentrick „Felidae“, die niemand so recht sehen wollte. Aber ob Brösels Comic- Held „Werner“ oder der Historienstreifen um das Männergesangsquartett der „Comedian Harmonists“, zu dem ihm die Idee beim Weißbierabend in München kam – selbst Investitionssummen von 15 Millionen Mark scheinen kaum mehr ein Risiko, noch ein Finanzierungsproblem zu sein.
„Vielleicht habe ich einen guten Riecher gehabt, sicherlich auch Glück.“ Im Grunde weiß er auch nicht so genau zu sagen, warum's so gut klappt. Ohne seine Senator Film jedenfalls wäre das neue deutsche Filmwunder, von dem seit einigen Jahren so gerne gesprochen und gelästert wird, eine Nummer kleiner ausgefallen. Mal ist's „Das Kleine Arschloch“, mal „Die Apothekerin“ von Rainer Kaufmann, die die Quote des deutschen Films im Kino mitanheben helfen. 25,4 Prozent Marktanteil im Segment deutscher Film verbuchte das Unternehmen 1997.
„Ich weiß gar nicht, woher dieses Interesse für unser Branche plötzlich kommt“, erregt sich Huth. „Bis vor fünf Jahren hat kein Hahn danach gekräht, welchen Marktanteil der deutsche Film eigentlich hat. Früher hat man sich ausschließlich für die Qualität interessiert.“ Für Huth ist es ein ausgemachter Blödsinn, den deutschen Film so hochzujubeln, nur weil zufällig mal zwei oder drei Filme mit mehr als drei Millionen Zuschauern gleichzeitig in den Kinos laufen. Gut, sagt er, gehe es dem deutschen Film erst dann, wenn es eine breite Basis erfolgreicher deutscher Filme gäbe „und oben drauf noch ein paar Megaproduktionen“.
Diese Chancen schätzt er als sehr hoch ein. Er sieht eine ganze Garde junger Nachwuchsregisseure in den Startlöchern, die größtenteils bislang nur Kurzfilme gedreht haben, aber von denen – bei kontinuierlicher Förderung – Großes zu erwarten sei. Huth hat Vertrauen. Max Färberböck hatte vor „Aimée & Jaguar“ nur fürs Fernsehen gearbeitet. Mit Thomas Bahmanns Tragikomödie „Südsee, eigene Insel“ und Peter Thorwarths „Bang, Boom, Bang“ kommen in diesem Jahr zwei weitere Erstlingsfilme und Eigenproduktionen der Senator Film in den Verleih. Filmeproduzieren ist für Huth einerseits eine kreative Aufgabe. Denn nichts sei schwieriger und wichtiger, als „die richtigen Ideen mit den richtigen Leuten“ zusammenzubringen. Das sei genauso spannend wie selber drehen. Aber das ist dann doch nur die eine Seite des Geschäfts. Die andere ist richtiges Business. „Man muß an die Sachen glauben. Wenn ich etwas anpacke, dann ziehe ich es durch bis zuletzt.“ Das schließt die Vermarktung mit ein. Vier Millionen hat er allein in die Promotion der „Comedian Harmonists“ gesteckt, 13 Millionen kostete die Produktion. Hanno Huth spricht solche Summen ganz gelassen aus und behält seinen sachlichen Ton selbst in solchen Momenten, wo man etwas freudige Erregung erwarten würde. Es ist die Lässigkeit und Coolness eines Geschäftsmannes, der sich fest im Sessel weiß.
Ein Selfmade-Man macht seinen Weg: Huth hatte mal angefangen, Jura zu studieren, es aber wieder sein lassen. Für artiges Paragraphenpauken muß dann doch zuviel Bohèmien in ihm gesteckt haben. Statt dessen folgte er einer Stellenanzeige der United Artits in Berlin und wurde Volontär der amerikanischen Filmcompany. Er verpackte anfangs Filmplakate, war einige Jahre später jedoch schon Außendienstchef des Verleihs in Südamerika. 1983 wechselte er zum damals noch in Frankfurt ansässigen, 1979 gegründeten Senator Film Verleih und wurde 1987 deren Geschäftsführer.
Weil die Preise für Verleihrechte stetig stiegen, begann Senator selbst ins Produktionsgeschäft einzusteigen. 1991 war das Debüt in den deutschen Kinos. „Manta – Der Film“ kam gerade noch rechtzeitig vor Abflauen der Witzewelle und wurde in einer Rekordzeit von 17 Tagen zwischen Drehende und Filmstart fertiggestellt. Die Schufterei wurde mit über einer Million Zuschauern belohnt. Hanno Huth hatte Blut geleckt.
Ihn auf die Produktion massentauglicher Spaßware zu reduzieren, gelingt trotz Manta-Blödeleien und Bestseller-Adaptionen kaum. Dem Wernerschen Bölkstoff-Ulk etwa steht der absurde Nonsense eines Helge Schneider gegenüber, dem er den Weg ins Kino ebnete – was sich nicht nur zur Überraschung seiner Finanzberater letztlich auszahlte. Neben glatter Mainstreamware wie Verfilmungen von Krimis der Ingrid Noll („Die Apothekerin“, „Kalt ist der Abendhauch“) finden sich ambitionierte Projekte wie Jan Schüttes Obdachlosendrama „Fette Welt“ oder Romuald Karmakars neuer Film „Manila“.
Daß Huth 1994 mit seiner Firma nach Berlin zurückzog, hatte vor allen Dingen persönliche und familiäre Gründe. „Auf der anderen Seite habe ich mir sehr erhofft, daß diese Metropole auch die kreative Power entwickelt, die ich für meine Arbeit brauche.“ Die andere Power, nämlich finanzieller Art, holt sich Huth künftig unter anderem über seine Aktiengesellschaft. Am 29. Januar wurde die Senator Film AG Berlin erstmals am Neuen Markt in Frankfurt dotiert. Um die Aktionäre für die erste Aktie eines deutschen Filmproduktionsunternehmens zu begeistern, wurde eine Umsatzsteigerung von 40 Millionen Mark im Jahr 1998 auf über 100 Millionen Mark 1999 versprochen. Diese Steigerung sollen sieben Eigenproduktionen einfahren, die im Lauf des Jahres in die Kinos kommen. Darunter die Verfilmung von Thomas Brussigs DDR-Satire „Helden wie wir“, der Action-Thriller „Straight Shooters“ mit Dennis Hooper und Heino Ferch, aber auch eine Kinoversion des Kinder- wie Erwachsenenlieblings „Käpt'n Blaubär“.
Hanno Huth fühlt sich offensichtlich gut. Wie er mit leicht aufgeknöpften Hemd auf seinem Wildledersofa vor dem modernen Glastisch sitzt, an seiner Havanna saugt und den Blick auf die Dachterasse hinausschweifen läßt, kommt er dem Klischee des Filmproduzenten nahe, das man aus Filmen wie „The Player“ oder „Rossini“ kennt. Dann passen auch die ausgewählten Arbeiten zeitgenössischer Kunst an der Wand dazu und der großdimensionierte Chefsessel. Aber schon stört der „Kleine Arschloch“-Aschenbecher das Bild des neureichen Zockers.
Einer, der mit Helge Schneider befreundet ist, auf Comics steht und sommers auf der Terrasse Tischttennisturniere mit seinen Freunden austrägt, zu dem wollen weder mafiose Geschäftsmanieren noch Nadelstreifen so recht passen. Auch seine Sprache ist nicht die eines knallharten, gerissenen Medien-Tycoons, der auf der Suche nach Absatzmärkten seine Fangarme über die ganze Weltkugel ausbreitet.
Der großgewachsene Huth, der seinen leichten Bauchansatz gar nicht erst zu verstecken sucht, gibt sich eher jovial. Wie einer der Toscana-Fraktion: Man weiß zu leben und zu genießen, aber ohne die proletarisch-rüde Selbstgefälligkeit eines Bernd Eichinger. Geschmack und Bildung hat man, ohne mit ihr zu prahlen, jedoch auch ohne sie zu verstecken.
Für kommerziellen Erfolg muß man sich auch in seiner Generation schon lange nicht mehr schämen. Die Promotionbroschüre für künftige Aktionäre hingegen spricht die knallharte Sprache des weitsichtigen, global denkenden, in die Zukunft gerichteten Konzernchefs. Da wird der europäische Markt beschworen und die „konsequente Auswertungskette von Kino über Videoverleih und -verkauf, Pay-TV über Free-TV bis zu den neuen Medien“, und „innovative Produktionstechnologien“.
Freut sich Hanno Huth denn über seine Erfolge, seine Auszeichnungen und Anerkennungen? „Wirklich wichtig ist immer der nächste Film“, sagte er, und man nimmt ihm diesen schönen Standardsatz sogar fast ab. Der Börsengang werde die Arbeit, sprich die Finanzierung, künftig stark vereinfachen. „Was wir machen, macht uns Spaß. In Zukunft werden wir also noch mehr Spaß haben.“ – Noch so ein lockerer, zitierfähiger Satz. – Der Output soll sich rasant steigern: 30 Filmprojekte sind derzeit in der Entwicklung. Im Dezember hat Senator Film geschickt 51 Prozent an Joseph Vilsmaiers Produktionsfirma Perathon übernommen. Der Regisseur arbeitet künftig also ganz und gar für Huths Firma und liefert nun jährlich zwei Produktionen ab. Gerade bereitet Vilsmaier die Filmbiographie über Marlene Dietrich mit Katja Flint in der Titelrolle vor. Der Verleihbereich soll sich bereits in diesem Jahr von sechs auf zwölf Filmstars verdoppeln. Wachstum allerorten im Hause Senator. Wenn Business, dann Big Business, scheint die Devise im Hause Huth zu lauten.
„Das ist vielleicht auch noch ganz interessant für Sie“, sagt er und und fischt eine Kopie aus der Filmzeitschrift Cinema hervor. „Diese 30 haben die Macht“, schreit die Schlagzeile. Platz 1 des „Power-Rankings“: Hanno Huth.
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