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Grüne verspielen Regierungsmacht in Hessen

■ Im Ursprungsland von Rot-Grün geht das Projekt an der Anti-Doppelbürger-Kampagne zuschanden

Wiesbaden (taz) – Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Armin Clauss, mußte die sich abzeichnende Abwahl der rot-grünen Regierung eingestehen – obwohl seine Sozialdemokraten die Wahl gar nicht verloren haben. Mit bitterer Miene konstatierte er das „Verfehlen“ des Wahlziels. Sein grüner Kollege Alexander Müller schob den Verlust seiner Partei um ein Drittel der Wählerstimmen auf die Unterschriftenkampagne der CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Seine Partei habe dagegen keine eigene Mobilisierung entgegensetzen können.

Im Landtag hatte schon Stunden zuvor so drangvolle Enge geherrscht – wie noch nie bei einer hessischen Landtagswahl. Bis in den letzten Winkel quetschten sich Fernseh- und Hörfunkstudios, stolperten Medienmacher in Erwartung eines bundesweiten Trendergebnisses über notdürftig verdeckte Kabel. Der Plenarsaal wurde zur Rumpelkammer.

25 Minuten nachdem das für die Grünen katastrophale Ergebnis bekanntgeworden war, beschrieb Fraktionsvorsitzender Alexander Müller seine persönlichen unbehaglichen Vorahnungen: „Ich habe es gestern am Stand schon gespürt“, denn: „Unsere eigenen Leute wollten uns einen Denkzettel verpassen. Die waren sich zu sicher, daß es die SPD packt.“ Er sah die Fehler seiner Partei als in Hessen hausgemacht und nicht nur vom Bonner Regierungsgezerre beeinflußt. Hessens Grüne hätten in den letzten Jahren genug eigene Skandale und zwei Ministerinnen- Rücktritte produziert.

Die hessische Umweltministerin und Spitzenkandidatin der Grünen, Priska Hinz, hatte den Eindruck, daß sich ihre Partei in Hessen selbst oft im Weg gestanden hätte. Hinz kritisierte die Unterschriftenkampagne der CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft als „unmoralisch“. Leider sei die Unionsaktion offenbar erfolgreich gewesen.

Am Mittag war die Wahl nur schleppend in Gang gekommen. Die Statistiker verzeichneten insgesamt eine geringere Wahlbeteiligung als 1995. Nur im schwarzen Wahlkreis Fulda, in Wiesbaden und dem ehemaligen Atomstandort Hanau waren die Wahllokale überdurchschnittlich gut besucht. Am Nachmittag hatte sich der Trend fortgesetzt.

Der Bundestagsgrüne Matthias Berninger aus Hessen kommentierte das Absacken seiner Partei um rund vier Prozentpunkte als Katastrophe: „Wir wurden voll abgebürstet – so wie bei der Bundestagswahl 1990. Die Verluste in unserem Stammland Hessen sind gigantisch.“ Der Bildungspolitiker meinte, die Grünen wären „in diesem Wahlkampf nicht attraktiv für junge Leute“ gewesen: „Wenn wir bei der Jugend Stimmen verlieren, wird es existentiell gefährlich für die Partei.“ Heide Platen

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