: „Die Polizei weiß, daß hier nicht mehr gedealt wird“
■ Bewohner des Bauwagenplatzes Gaußstraße wenden sich an die Öffentlichkeit
Die BewohnerInnen des Bauwagenplatzes an der Altonaer Gaußstraße gehen nach der Durchsuchung durch die Polizei in die Offensive. Mit Flugblättern versuchen sie, dem Bild von dealenden, kriminellen PlatzbewohnerInnen entgegenzutreten. Die Polizisten „haben mit der Razzia bei uns etwas ausgelöst, was sie gar nicht mehr aufhalten können“, so die Platzsprecher Zappa und Jürgen zur taz-hamburg. In der Vergangenheit hatten sich die WagenbewohnerInnen oft vor der Öffentlichkeit abgeschottet.
80 Menschen wohnen an der Gaußstraße derzeit in Bau- und Wohnwagen oder Bussen. Sie haben sich im Verein „Vogelfrei“ zusammengeschlossen. „Wir sind der älteste und legalste Bauwagenplatz in Hamburg“, prahlt Zappa. Warum 260 PolizistInnen vor zwei Wochen auf den Platz kamen, um nach angeblichen Haschdealern zu fahnden, ist den BewohnerInnen schleierhaft. „Die Durchsuchungsbeschlüsse beruhen auf Aussagen von 1995 bis 1997“, so Jürgen, „die wissen ganz genau, daß hier nicht mehr gedealt wird“. So fanden die Beamten denn auch nur zwei Gramm Marihuana.
Anfang 1997 stand die Zukunft des Platzes auf der Kippe. „Entweder wir behalten ihn, oder wir dealen weiter“, habe damals die Entscheidung gelautet. Seitdem werde nicht mehr mit Drogen gehandelt, berichtet Jürgen. Was allerdings nicht bedeutet, daß nicht mal legal „ein Pfeifchen geraucht“ wird. In jüngster Zeit hat es zwischen Bauis und dem zuständigen Polizeirevier in der Mörkenstraße keine Probleme mehr gegeben; das wird auch aus der Wache bestätigt.
Den Vorwurf, die Platzbewohner hätten wissentlich einen Sexualstraftäter geduldet, der bei der Razzia festgenommen wurde, weisen die beiden Sprecher zurück. „Von seiner Verurteilung ist uns nichts bekannt gewesen“, betont Jürgen. Er warnt vor einer Vorverurteilung: „Der ist vor acht Jahren in Kleve in Abwesenheit wegen Kindesmißbrauchs verurteilt worden. Er hat uns versichert, daß er unschuldig ist und hat sich jetzt einen Anwalt genommen.“
Als Quatsch bezeichnen die „Bauis“ auch Berichte, wonach auf dem Platz Tuberkulose grassiere. Es habe zwar einige Tuberkulose-Fälle gegeben, die medizinische Versorgung sei jedoch von Anfgang an durch das Gesundheitsamt Altona gewährleistet gewesen. Ansteckungsgefahr habe nicht bestanden.
Um künftig aus der Isolation zu kommen, wollen die GaußstraßenbewohnerInnen enger mit anderen Wagenplätzen zusammenarbeiten. Am 1. März planen sie eine große Demonstration. Im Gespräch ist auch, daß Altona Anfang Mai der Schauplatz der bundesweiten Bauwagentage werden könnte.
Kai von Appen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen