piwik no script img

Das Ende der Nullrunden

Tarifverhandlungen in der Metallindustrie gescheitert. Jetzt drohen Streiks in ganz Norddeutschland  ■ Von Magda Schneider und Oliver Steinebach

Die Tarifgespräche für die 170.000 Beschäftigten der Eletro- und Metallindustrie in Hamburg und der Nord- und Ostseeregion sind geplatzt. Die für gestern abend vorgesehene vierte Verhandlungsrunde wurde abgesagt. Zuvor hatte Hans-Werner Busch, Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbandes Nordmetall, erklärt, daß das bisherige Angebot von 2,3 Prozent mehr Gehalt und einer „ertragsabhängigen Einmalzahlung“ von 0,5 Prozent nicht nachgebessert werde.

Damit stehen die Metall-Nordlichter vor dem Streik. Bereits morgen wird die Große Tarifkommission der IG Metall Küste beraten. Es gilt nach Einschätzung von Insidern als sicher, daß das Scheitern der Verhandlungen erklärt und beim Frankfurter Vorstand die Urabstimmung beantragt wird. Über den Antrag wird die IG-Metall-Zentrale Anfang nächster Woche entscheiden. „Ich bedauere, daß der Nordverbund nicht in der Lage ist, einen Tarifkompromiß am Verhandlungstisch zu finden“, erklärte IG-Metall-Bezirksleiter Frank Teichmüller: „Ohne kräftige Erhöhung wird es keinen Tarifabschluß geben.“ Die Gewerkschaft fordert 6,5 Prozent mehr Lohn.

Die Nachricht von der Absage der Gespräche löste gestern unter den warnstreikenden Metallern keine Überraschung aus. Bei der Deutschen Airbus in Finkenwerden hatten sich am Morgen 1500 MitarbeiterInnen an einer Kundgebung vor dem Werkstor beteiligt. Nach „den Jahren der Enthaltsamkeit“ sei es an der Zeit, bekräftigte Betriebsratschef Horst Nierhus, „auch für die Arbeitnehmer einen Anteil an den Profiten einzufordern“. In der Vergangenheit habe die Belegschaft sich die Arbeitszeitverkürzung durch Lohnverzicht erkauft, zur Standortsicherung Samstagsarbeit ohne Zuschläge und Überstunden geleistet und sogar der Weihnachtsgeldkürzung zugestimmt. Nierhus: „Die These 'Lohnverzicht schafft Arbeitsplätze' hat sich als unwahr erwiesen.“

„Die Nullrunden müssen ein Ende haben“, forderte auch Belegschaftssprecher Rainer Schulze. Es sei eine „Provokation“, daß das „tarifvertragliche Weihnachtsgeld durch die ertragsabhängige Erfolgsprämie abgeschafft werden“ solle. „Dann können nur noch Reiche Geschenke für ihre Kinder kaufen.“

Auch in anderen Hamburger Betrieben legten gestern etwa 14.000 Beschäftigte die Arbeit nieder – im Bezirk Küste insgesamt fast 55.000 Metaller. Auf der Sietas-Werft wurde ganztägig gestreikt, bei Jungheinrich blockierten Mitarbeiter stundenlang die Tore, zu Arbeitsniederlegungen kam es auch bei Daimler Benz und Still.

Die Belegschaft von Hauni in Bergedorf zeigte sich zufrieden mit ihrem zweiten Warnstreik in dieser Tarifrunde. So gab es viele strahlende Gesichter, als die 400 Streikenden mit Trillerpfeifen bespickt nach der Kundgebung auf dem Bergedorfer Markt ins Werk zurücckehrten. Versuchsmonteur Sasa Milanovic hat ein gutes Gefühl: „Es waren mehr, als ich erwartet habe.“ Große Hoffnung, daß das Ziel von 6,5 Prozent erreicht wird, hat er aber nicht. „Vermutlich pendelt es sich so bei 3,5 Prozent ein“, spekulierte er. Gut leben könne er damit aber nicht.

Die beiden Technischen Zeichnerinnen Rike Müller und Anja Schreiber wären mit einer Einigung um drei bis vier Prozent hingegen „einigermaßen“ zufrieden. „Bei den Unternehmensgewinnen muß mindestens eine vier dem Komma stehen“, forderte hingegen Betriebsrat Hartmut Ott. „Wenn die Beteiligung so bleibt, wird auch genug Druck entstehen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen