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Zu hart für die Komantschen

Herwig Demschar, ehemaliger Cheftrainer des US-Frauenteams, weiß, wo die Probleme im amerikanischen Skisport liegen: Die Sportler sind einfach zu reich  ■ Aus Vail Ralf Mittmann

Die Mahre-Brüder, Tamara McKinney, Cindy Nelson, Bill Johnson, Debbie Armstrong, Diane Roffe, Tommy Moe, Hilary Lindh, Picabo Street – klangvolle Namen, die für den amerikanischen Skisport Ehre eingelegt haben. Bei allen acht Olympischen Winterspielen seit 1972 in Sapporo gab es jeweils mindestens eine Medaille für das US-Skiteam, bei neun Weltmeisterschaften von 1978 in Garmisch-Partenkirchen bis 1997 in Sestriere gingen die Amerikaner nur zweimal, 1987 in Crans-Montana und 1991 in Saalbach-Hinterglemm, leer aus.

Ausgerechnet bei der Heim- WM in Vail droht den Amerikanern nun die nächste Nullnummer, was nicht gerade hilfreich ist für die Bemühungen des US-Skiverbandes, die Sportart im riesigen Lande zu pushen. Megan Gerety hätte es richten können. In der Abfahrt lag sie bis zur dritten Zwischenzeit auf Rang drei, am Ende blieb ihr nur Platz neun. „Bei den Übergängen vom Flachen ins Steile und bei den Sprüngen im French Face und in Pepi's Face hat sie die Medaille verloren“, sagt Herwig Demschar, „und das war typisch für die Amerikaner. Wenn's hart wird, haben sie Probleme.“

Der gebürtige Grazer weiß, wovon er spricht. Vier Jahre, von 1994 bis 1998, war er Cheftrainer der US-Skifahrerinnen, ehe er nach Olympia in Nagano das Metier wechselte. Seither ist Demschar für das Organisationskomitee der Olympischen Spiele 2002 in Salt Lake City tätig und verantwortlich dafür, daß in drei Jahren die Wettbewerbe der alpinen Skifahrer, der Snowboarder und der Freestyler möglichst glanzvoll über die Bühne gehen werden. Der Job macht ihm Spaß, „wenngleich wir wegen der Bestechungsaffäre derzeit ein schlechtes Image haben“.

Bei seinem Besuch in Vail ist der Österreicher allerdings wieder als Trainer gefragt. Wie war sie also gemeint, die Kritik an Miss Gerety? Da grinst der Demschar, erklärt so nebenbei, daß er als Ex- Trainer eigentlich nichts zum US- Skisport sagen möchte, und erzählt dann eine Geschichte, wie er zu seiner Trainerzeit mit den amerikanischen Fahrerinnen auf einem Österreich-Trip war. Dort habe er „die Madl'n“ zu einem Test in groben Schnee geschickt. „Und dann hättest mal sehen sollen, wie meine Komantschen gefahren sind“, lacht Demschar, „wie die Anfänger.“

Es sei kein Zufall, daß die besten Skifahrer Europäer seien, sagt der Österreicher, „die sind alle viel im freien Gelände gefahren“. Die Amerikaner dagegen seien „gelernte Skifahrer“, fixiert auf glattgewalzte Pisten. Im Fußball würde man es so bezeichnen: Hier der Straßenkicker mit seinem Feingefühl, dort der Malocher, der prächtig mithält, bis er einen Ball geradeaus spielen soll.

Zwei Punkte führt Demschar an, woran es im alpinen Skisport der USA hapert. Erstens: „Es gibt keine richtig gute Trainerausbildung.“ Daß man die Europäer, die an den real existierenden „zirka zehn“ Skigymnasien als Trainer arbeiteten, längst wieder heimgeschickt hat, hält Demschar deshalb für einen Fehler. „Die guten Nachwuchsfahrer kommen nicht aus den Gymnasien“, weiß er, „die kommen alle aus großen Skiclubs im Westen des Landes.“

Punkt zwei: „Skisport ist in den USA ein irrsinnig teurer Sport.“ Wenn man für die Mitgliedschaft eines Kindes in einem Skiclub per anno bis zu 5.000 Dollar hinblättern müsse, sagt Demschar, „dann findet da schon eine rein finanzielle Auslese statt, bevor man überhaupt ein Talent erkennen kann“. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben aber gezeigt, daß Kids reicher Eltern „der Hunger fehlt zum Erfolg, der Biß“. Die meisten amerikanischen Skistars entstammten „der normalen oder unteren Klasse“. Bestes Beispiel ist Weltmeisterin und Olympiasiegerin Picabo Street. Die 27jährige ist die Tochter eines Hippie-Ehepaares.

Nichts mehr sagt Herwig Demschar dann über den amerikanischen Skisport. Allenfalls noch, daß aus einer Gruppe von acht Mädchen, die er bis vor einem Jahr noch selbst trainierte, „zwei bis drei rauskommen müßten, wenn die Trainer nicht die Nerven verlieren“. Und wenn die Pisten glatt genug sind für die Komantschen.

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