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Sachsens Studis machen mit Noten für den Prof ernst

■ Sachsens Studentenräte gründen eine Landesstelle zur Beurteilung von Hochschullehrern

Dresden (taz) – „Setzen, fünf, Herr Professor“: Sachsens Studenten drehen den Spieß einfach um. Vergangene Woche einigte sich die Konferenz Sächsischer Studentenräte (KSS) darauf, künftig den Professoren im Freistaat Noten zu geben. Die in den Fachbereichen der Universitäten organisierten Studenten sollen die Zensuren verteilen. „Wir wollen kein Exempel statuieren“, sagt KSS-Sprecherin Christina Mayer. „Wir wollen die Dozenten, die es mit der Lehre nicht so genau nehmen, auf Defizite hinweisen“.

Das Projekt ist einmalig in der Bundesrepublik. Zwar müssen sich Professoren inzwischen überall in Deutschland von Studierenden benoten lassen, die sächsischen „Noten für den Prof“ aber werden von der KSS mit soziologischem Know-how unterfüttert. Sie richtet in Dresden eine studentische Landesstelle ein, von der aus die Evaluierung, sprich die Benotung unterstützt wird. Das gibt es bislang nirgendwo.

Die Studenten legen Wert auf Seriosität. Sie wollen die Leistung der Hochschullehrer fundiert beurteilen. „Wir werden deshalb zwei halbe Stellen für Wissenschaftler schaffen“, kündigt Mayer an. Im April soll die neue Evaluierungsstelle mit der Arbeit beginnen, getragen von den Studentenräten der vier sächsischen Universitäten – Dresden, Freiberg, Chemnitz, Leipzig – und einigen Fachhochschulen.

Ihr Arbeitsschwerpunkt wird es sein, die Studierenden zu beraten. Zum Beispiel den unzufriedenen Fachschaftsrat, der herausfinden will, ob nun die Studenten zu dumm oder die Lehrenden zu schlecht sind. Oder ob einfach nur die Organisation des Lehrbetriebes mangelhaft ist. Gemeinsam mit den professionellen Evaluierern aus Dresden erstellen die Studentenvertreter dann einen Fragebogen, der sich an die Nutzer des Lehrangebots richtet – also an die Studenten. Arbeitskomplex Nummer zwei ist dann die Auswertung, sprich die Notenvergabe.

Finanziert wird der Etat in Höhe von 60.000 Mark in diesem Jahr zur Hälfte von den Studentenräten; die großen Unis Dresden und Leipzig zahlen mit je 11.500 Mark den Löwenanteil. Die zweite Hälfte trägt das sächsische Wissenschaftsministerium. Im kommenden Jahr sollen neue Finanziers hinzukommen. „Wir wollen den Zuschuß von Wissenschaftsminister Meyer im nächsten Jahr durch Sponsorengelder aus der Wirtschaft ersetzen“, sagt KSS-Sprecherin Mayer, die bereits erste Angebote vorliegen hat. Die Leipziger VEAG etwa stellt die Computertechnik zur Verfügung, mit der die Fragebögen erfaßt und ausgewertet werden.

Die Studentenräte-Konferenz betont, daß es bei der Evaluierung nicht um Personen, sondern um die Lehrveranstaltungen geht. Das hat seinen Grund: In mehreren Bundesländern haben Professoren gegen die Veröffentlichung ihrer „Zeugnisse“ geklagt. Der Datenschutz hat gesiegt, „Lehrversager“ dürfen nicht beim Namen genannt werden. Ein Gespräch mit dem sächsischen Datenschutzbeauftragten soll nun klären, in welcher Form Lehrveranstaltungen bewertet werden können und dürfen.

Christina Mayer und die Studentenkonferenz rechnen mit der Unterstützung der Dozentenschaft. „Schon jetzt fragen ja viele Professoren ihre eigenen Leistungen ab“, meint die Leipziger Studentin. Für die Hochschule hat die Bewertung der Studenten allerdings keinerlei bindende Wirkung. „Wir setzen auf Dialog“, heißt es deshalb bei der KSS. Das Wissenschaftsministerium kündigte gegenüber der taz immerhin an, die Bewertung der Evaluierungsstelle in den sogenannten Lehrbericht einfließen zu lassen. Solche Berichte sind seit 1993 in Sachsen Bewertungskriterium für Hochschulen – auch zur Verteilung der Mittel.

Die Studenten wollen indes einen eigenen Lehrbericht herausgeben. Mittelfristig planen sie, die Fachbereiche der sächsischen Hochschulen in einem „Studienführer aus studentischer Sicht“ zu vergleichen. „Der Kampf um Studenten – und damit um Geld – wird ja immer härter“, sagt Christina Mayer. Da könnte eine Empfehlung durchaus zur Studienplatzwahl beitragen. Nick Reimer

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