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Auch ohne Moos was los

Kinder haben ein Recht auf Urlaub, sagt das Hamburger Jugenderholungswerk und unterstützt einkommensschwache Familien  ■ Von Kristina Maroldt

Das Mädchen mit den braunen Haaren sitzt auf einem kleinen Pferd und lächelt glücklich. Das Tier, auf dem es reitet, hat eine breite Blesse und eine wuschelige Mähne und grinst ebenfalls selig vor sich hin. Das tun Pferde zwar gewöhnlich eher weniger, doch dieser Fall ist eine Ausnahme: Das fröhliche Paar ist eine Zeichnung. Gemalt hat das Bild die elfjährige Sabrina nach ihrem Reiterurlaub mit dem Hamburger Jugenderholungswerk (JEW).

Seit mehreren Jahren nimmt die Elfjährige regelmäßig an den Freizeiten des gemeinnützigen Vereins teil. Ohne finanzielle Unterstützung – vermittelt durch das JEW – wäre der Reiterurlaub für Sabrina jedoch wohl für immer ein Traum auf dem Zeichenblock geblieben. Beide Eltern sind substituierte Heroin-Abhängige, die Mutter ist aidskrank. Außergewöhnliche Urlaubsreisen liegen für die Familie außerhalb der begrenzten Möglichkeiten.

In Hamburg gibt es deshalb zahlreiche Vereine, die sich dafür einsetzen, daß weder Einkommen noch soziale Lebenssituation einem Urlaub von Kindern aus einkommensschwachen Familien im Wege stehen. „Allen Hamburger Kindern soll es möglich sein, einmal im Jahr in Urlaub zu fahren“, finden die Leute vom Jugenderholungswerk. Denn nicht nur die Kinder profitieren von den Ferienfreizeiten mit Gleichaltrigen, lernen, wie man in einer Gruppe Verantwortung übernimmt und das Zusammenleben mit anderen gestaltet. Auch die Eltern haben Gelegenheit, sich einmal auszuruhen, während die Sprößlinge unter Aufsicht über die Nordsee schippern oder in Südtirol zu Gipfelstürmern werden.

Möglich wird der preiswerte Urlaub durch Zuschüsse aus dem Landesjugendplan, die über das Amt für Jugend an Trägervereine oder direkt an Privatpersonen verteilt werden. „Wir verteilen die Gelder nach zwei verschiedenen Gesichtspunkten“, erklärt Dr. Wolfgang Hammer, Leiter der Abteilung Jugend- und Familienförderung im Hamburger Amt für Jugend. „Zum einen ist das der pädagogische Aspekt: Wir gewähren Programmkostenzuschüsse für ausgewählte Trägervereine, die Kinder- und Jugendfreizeiten anbieten. Die Vereine müssen allerdings auch gewisse Standards, wie geschulte Gruppenleiter, vorweisen.“ Unter derart fachkundiger Aufsicht lernen die Kinder und Jugendlichen dann nicht nur, wie sie ihre Unterkunft selber bauen oder ein Kanu paddeln können. Für viele ist es auch die erste längere Abwesenheit von den Eltern – und wenn Tochter oder Sohn aus dem Urlaub zurückkommen, haben sie neben neuen Freunden im Idealfall auch eine Portion Selbstvertrauen und Selbständigkeit hinzugewonnen.

Neben dem JEW bieten auch die Deutsche Hilfsgemeinschaft, die Arbeitsgemeinschaft Hamburger Schullandheime, der Verein Hamburger Freiluftschulen, einige Hamburger Sportvereine und kirchliche Organisationen zuschußfähige Jugendfreizeiten an (Adressen siehe Kasten). Antragsformulare für die Zuschüsse und Beratung gibt es dabei gratis.

Wer sein Kind in den Ferien jedoch lieber bei sich behalten möchte oder endlich einmal mit der ganzen Familie in Urlaub fahren will, kann ebenfalls auf finanzielle Unterstützung hoffen. Familienerholung ist der zweite Aspekt, unter dem das Amt für Jugend Zuschüsse gewährt. „Die Familien müssen sich dann allerdings selbst an das zuständige Bezirksamt wenden und dort einen Antrag stellen“, erklärt Wolfgang Hammer. Wird die Familie nach der Einkommensfeststellung für zuschußwürdig befunden, erhält sie pro Urlaubstag eine individuelle finanzielle Unterstützung.

Speziell für Familien oder Alleinerziehende mit Kind bieten jedoch auch manche Vereine, wie die Kindervereinigung Hamburg, bezuschußte Reisen an. Der Vorteil hierbei: Kinder und Eltern können gemeinsam neue Kontakte knüpfen, aus denen später vielleicht sogar richtige Familienfreundschaften werden.

Diese Erfahrung hat auch Ursula Hail, Geschäftsführerin vom Hamburger Feriendorf, gemacht. Der Verein vermietet preiswerte Ferienhäuschen bevorzugt an einkommensschwache Familien, Behinderte und Senioren. „Viele Familien“, sagt Ursula Hail, „die einmal im Feriendorf Urlaub gemacht haben, melden sich gleich wieder zusammen für das nächste Jahr an, weil die Kinder sich mittlerweile angefreundet haben.“

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