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Ab an die Schulbank

■ Berufsbegleitende Weiterbildungen an der Universität sind enorm beliebt. Ein Beispiel

Seit einigen Jahren arbeitet Mechthild Bonnen in der Brüder- Grimm-Bibliothek, einer öffentlichen Bücherei für Kinder und Jugendliche in Berlin-Tiergarten. Sie ist zuständig für die Ausleihe, für Makulierungen, die praktische Einarbeitung von CD-ROMs und für die gesamte Systembetreuung im EDV-Bereich. Sie verschickt Mahnungen und arbeitet drei Tage pro Woche in einer Bibliotheksaußenstelle an einer Moabiter Grundschule. Ein komplexer Arbeitsalltag. Dennoch hat die 33jährige, die vor sechs Jahren ihr Politologiestudium an den Nagel hängte, keinen Berufsabschluß. Ein Studium als Bibliothekarin kam für sie nicht in Betracht, weil es sich nicht bibliotheksintern machen ließ. Sie hätte ihren Job eine Zeitlang aufgeben müssen.

Seit vier Jahren können Leute wie Mechthild Bonnen neben ihrem Bibliotheksjob eine Ausbildung zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste machen. „Assistent an Bibliotheken“ nannte sich der Beruf bis zum vergangenen Jahr. Die zweijährige berufsbegleitende Ausbildung endet mit einer Prüfung bei der Senatsverwaltung für Inneres.

Die Arbeitgeber unterstützen die Teilnahme ihrer Mitarbeiter an dem Projekt, das über das Referat Weiterbildung der Freien Universität organisiert wird. So wird auch Mechthild Bonnen, Schülerin im ersten Ausbildungsjahr, alle 14 Tage für einen Unterrichtstag freigestellt. Der Stoff setzt sich zusammen aus Bibliotheksbetriebslehre, Bibliographieren, Katalogisierung und Titelaufnahme bis zu Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. „Das ist für die meisten nicht leicht, weil sie es nicht mehr gewohnt sind, die Schulbank zu drücken,“ sagt Dozentin Doris Pechtl. „Doch unsere Teilnehmer sind hoch motiviert.“ Durchgefallen ist bislang noch niemand. Neben dem Unterricht sind zwei 14tägige Praktika in Bibliotheken eines anderen Bereichs Pflicht.

Voraussetzung für das Nachqualifizierungsprogramm ist eine mindestens vierjährige Berufserfahrung in einer öffentlichen oder wissenschaftlichen Bibliothek. Die Auswahl der Bewerber auf die zwanzig Plätze, die jährlich für das Nachqualifizierungsprojekt bewilligt werden, regelt ein Bibliothekskontingent: So dürfen die Uni-Bibliotheken jeweils zwei Teilnehmer pro Kurs anmelden, ebenso wie die Staatsbibliothek. Der Rest einer Klasse setzt sich aus Personal anderer öffentlicher und wissenschaftlicher Bibliotheken zusammen. Das Projekt ist enorm beliebt: Wartezeiten von mehreren Jahren sind nicht selten.

Während Mechthild Bonnens Arbeitsalltag vielfältig ist, kommen die meisten anderen Teilnehmer aus weniger abwechslungsreichen Bereichen der Bibliotheksarbeit: Viele von ihnen hatten vor ihrer Weiterbildung einfachere Aufgaben, sie packten die gesammelten Buchbestellungen aufs Fließband, fuhren Bücherbusse oder beklebten Bücher mit Signaturen.

Mit der Abschlußprüfung können sich die Teilnehmer auf einen höheren Posten oder an eine andere Bibliothek bewerben. „Hauptsache, ich habe endlich einen Berufsabschluß“, sagt Mechthild Bonnen. „Es ist mir wichtig, mehr über das zu wissen, was ich seit Jahren mache. Mit anderen Leuten zusammenzukommen und über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen – das ist eine Herausforderung.“ Kirsten Niemann

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