: Koalition bremst Konkurrenz für AKW
■ Gas- und Dampfturbinenkraftwerke arbeiten günstig und effizient. Von der Primärenergiesteuer sind sie nicht ausgenommen
Hamburg (taz) – Eine Möglichkeit, den Atomstrom auf marktwirtschaftlichem Wege zurückzudrängen, ist in der vergangenen Woche gescheitert. Statt wie geplant die emissionsarmen Gas- und Dampfturbinenkraftwerke (GuD) praktisch generell von der Primärenergiesteuer für fossile Brennstoffe auszunehmen, kommt das nach den Koalitionsverhandlungen nur noch für Kraftwerke in Frage, die mit Kraft-Wärme-Koppelung arbeiten. Für die Betreiber von einfachen GuD wird es damit schwieriger, den Strompreisen der AKW Paroli zu bieten.
Wie Kristin Heyne, parlamentarische Geschäftsführerin der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, bestätigte, einigten sich die Koalitionäre darauf, alle Kraftwerke mit einem Jahresnutzungsgrad von mehr als 70 Prozent von der Primärenergiesteuer auszunehmen. Das heißt alle Kraftwerke, die mehr als 70 Prozent vom Energiegehalt des eingesetzten Brennstoffs in elektrischen Strom oder Nutzwärme umsetzen. Das ist derzeit nur mit Kraft-Wärme-Koppelung zu schaffen. Nach dem Vorschlag der Bündnisgrünen wäre nur ein Jahresnutzungsgrad von 50 Prozent erforderlich gewesen. Das hätten auch GuD ohne Fernwärmeproduktion erreicht.
Bei den Koalitionsverhandlungen sei der bündnisgrüne Vorschlag auf „massiven Widerspruch“ der Betreiber vor allem ostdeutscher Stadtwerke und aus Nordrhein-Westfalen gestoßen, sagt Heyne. Die Stadtwerke betrieben häufig Blockheizkraftwerke mit Braunkohle und fürchteten, „von den großen Erzeugern aus dem Markt gedrängt“ zu werden. Immerhin sei es gelungen, „die Kraft-Wärme-Koppelung wirtschaftlich abzusichern“. Die Argumente der Kohlelobby hält sie nicht für überzeugend. „Die SPD muß darüber nachdenken, ob sie weiterhin auf Kohle setzen will“, sagte Heyne.
Kohle wird auch in Zukunft von der Primärenergiesteuer ausgenommen sein, obwohl Kohlekraftwerke die Atmosphäre stärker mit Schadstoffen belasten als GuD. Widerstand habe es von allen Seiten gegeben, bestätigte der SPD- Umweltpolitiker Michael Müller. „Im Grunde geht es um eine Weichenstellung, ob man auf dezentrale Strukturen umschalten will“, schloß Müller. Ein geeignetes Mittel hierfür seien Nachrüstungspflichten für die AKW. Müller ist mit dem Kompromiß zufrieden.
Durch den Wegfall der Primärenergiesteuer wären GuD keineswegs eine harte Konkurrenz für die AKW geworden, wiegelt der SPD-Umweltexperte ab. Eine Studie im Auftrag der Grünen in Hamburg war Ende 1997 allerdings zu einem anderen Ergebnis gekommen: Weil sie sich billiger bauen und betreiben lassen, können GuD mit einem niedrigeren Strompreis kalkulieren als stehende AKW. Christian Gotthardt, Sprecher des Hamburger Ökostrom-Anbieters Vasa-Energy, versichert sogar, mit GuD könne seine Firma gegen abgeschriebene Atommeiler konkurrieren. Gernot Knödler
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