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KurdInnen kapern griechisches Konsulat

■ Nach Festnahme von Kurdenführer Abdullah Öcalan beim Verlassen der griechischen Botschaft in Kenia protestieren etwa 150 KurdInnen am Wittenbergplatz. Die Polizei riegelt das Gebäude weiträumig ab, g

Die KurdInnen klatschen. Eben wurde eine 20jährige Frau auf einer Trage in einen Rettungswagen geschoben. Sie hat sich selbst angezündet und sich dabei mittelschwere Verletzungen an Gesicht und Händen zugefügt – die bislang spektakulärste Aktion bei der Besetzung des griechischen Generalkonsulats am Wittenbergplatz.

Am Tage der Festnahme des Kurdenführers und PKK-Chefs Abdullah Öcalan durch den türkischen Geheimdienst hat sich die Lage auch in Berlin zugespitzt. In der Stadt mit der größten türkisch- kurdischen Community in der Bundesrepublik kam es zu einer Botschaftsbesetzung, einer versuchten Selbstverbrennung einer Kurdin, Kundgebungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Nach Angaben der Polizei waren am Morgen etwa 40 KurdInnen in das griechische Konsulat eingedrungen und drohten, sich selbst anzuzünden. Die BesetzerInnen holten die griechische Fahne ein und hißten statt dessen die PKK-Fahne. Etwa 100 kurdische Frauen und Männer standen vor dem Konsulat und riefen Parolen auf kurdisch, aber auch auf deutsch: „Eins, zwei, drei, laßt die Kurden frei.“ Gegen 15.45 Uhr rollte ein Lautsprecherwagen der Antifaschistischen Aktion seitlich an das Gebäude heran. Aus den Boxen tönt immer wieder: „Hoch die internationale Solidarität!“

Immer wieder kamen neue BesetzerInnen in die Botschaft – die Polizei durchsuchte sie lediglich nach Waffen. Bis Redaktionsschluß war das Gebäude weiträumig abgeriegelt, doch die Polizei griff nicht ein. Einen Grund zum Einschreiten der Polizei gebe es nur dann, „wenn eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben besteht“, so Polizeipräsident Hagen Saberschinsky. Wenn die KurdInnen in der Botschaft ihre Drohung wahrmachten und tatsächlich versuchten, sich selbst zu verbrennen, werde die Polizei eingreifen. Spezialeinsatzkräfte dafür seien vor Ort, so Saberschinsky.

Ohne diese konkrete Bedrohung braucht die Polizei für eine Räumung die Zustimmung der griechischen Generalkonsulin, weil es es sich bei dem Konsulat um exterritoriales Gebiet handelt. Zudem sei eine Räumung in der augenblicklichen Situation nicht verhältnismäßig. „Schließlich gefährde ich dabei auch Leib und Leben meiner Beamten“.

400 Polizeibeamte waren gestern auf dem Wittenbergplatz im Einsatz. Außerdem habe die Polizei „erhebliche Schutzmaßnahmen“ für griechische, kenianische und türkische Einrichtungen eingeleitet, so der Polizeipräsident. Eine wirkliche Gefährdung konnte er gestern noch nicht sehen.

Nach Angaben von Staatssekretär Kuno Böse gibt es in Berlin 1.000 aktive PKK-Mitglieder, die straff organisiert sind. „Deshalb ist die PKK in der Lage, innerhalb kürzester Zeit eine große Anzahl an Personen zu mobilisieren“.

In Berlin leben rund 150.000 TürkInnen, davon ist ungefähr ein Drittel kurdischer Herkunft. Der PDS-Abgeordnete Giyas Sayan, der selbst kurdischer Herkunft ist, kritisierte gestern die Besetzung: „Das Bild der Kurden in Deutschland ist sowieso schon schlecht, so wird es noch schlechter.“ Sayan glaubt indes nicht, daß die Spannungen zwischen KurdInnen und TürkInnen jetzt zunehmen werden, „solange die türkischen Nationalisten nicht provozieren“. Auch Ismail Kosan von den Bündnisgrünen glaubt nicht, daß es zu Auseinandersetzungen kommen wird: „Rangeleien will ich aber nicht ausschließen.“ Auch der Vorsitzende des kurdischen Zentrums, Baba Kazim, geht davon aus, daß es nicht unbedingt zu Streit und Gewalttätigkeiten kommen muß, „es sei denn, die Grauen Wölfe ziehen durch die Straßen“. Unterdessen rief der Senat die in Berlin lebenden KurdInnen und TürkInnen zur Besonnenheit auf. ges/nau/sam

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