„Achten Sie auf Ihre Linie!“
Die Hamburger Hochbahn rüstet zur „breit angelegten Offensive“ gegen Vandalismus und setzt auf fitte Fahrgäste ■ Von Kristina Maroldt
Überrollt die allfrühjährlich drohende Fitneßwelle Hamburg jetzt bereits Mitte Februar? Und ist ausgerechnet die Hamburger Hochbahn AG (HHA) auf den Schlankheitswahn-Zug aufgesprungen? „Achten Sie auf Ihre Linie!“ heißt das beängstigend dynamisch tönende Motto, unter dem die HHA pünktlich zu Beginn der Fastenzeit an die Öffentlichkeit geht.
Furchteinflößende Szenarien tauchen vor dem inneren Auge fitneßgeschädigter ÖPNV-NutzerInnen auf: Unschuldige Fahrgäste werden vom Busfahrer zum kollektiven Laufbandtraining im Linienbus gezwungen, ganze Hochbahnabteil-Besatzungen müssen auf Lautsprecherkommando Streckübungen an den Haltestangen absolvieren ...
Doch keine Panik! Die Offensive der Hochbahn richtet sich nicht gegen Speckpölsterchen und Rettungsringe, sondern gegen aufgeschlitzte Sitzpolster und beschmierte Rückenlehnen. Zehn Millionen Mark muß die Hamburger Hochbahn jährlich für die Beseitigung von Graffiti- und Vandalismusschäden an Anlagen und Fahrzeugen ausgeben. Über 20.000mal wurden im vergangenen Jahr Fensterscheiben zerkratzt, Wände bekritzelt oder an teuren Buspolstern herumgeschnipselt.
Deshalb bläst die HHA jetzt kampfesfreudig und hochdynamisch zur „breit angelegten Offensive gegen Schmierereien in den Bussen“ und ließ gestern zur Veranschaulichung für die Presse schon mal als Putzfrauen verkleidete junge Männer zur Tat schreiten. Nächste strategische Maßnahme: die vandalimussichere Aufrüstung der Fahrzeuge. „Am besten wären natürlich Stahlkonstruktionen anstatt der Polstersitze“, träumt Herbert Hußmann, Spartenleiter Omnibus bei der HHA. „Doch das läßt sich aus ästhetischen Gründen selbstverständlich nicht machen.“ Ersatzweise wurden die Busse mit feuerfesten Plüschbezügen und neuen Schutzlackierungen und -folien ausgerüstet, von denen sich selbst wasserfeste Kritzeleien wieder abwaschen lassen.
Zweite Speerspitze des Frontalangriffs: Die aktive Unterstützung durch Fahrgäste. Mit Plakaten und Faltblättern wird dazu aufgerufen, die BusfahrerInnen über Schäden und Schmierereien unverzüglich zu informieren. Mit einer Plakataktion („Achten Sie auf Ihre Linie!“) und einem Gewinnspiel sollen die HamburgerInnen aus der Fahrgastlethargie gerissen werden.
Letzteres versöhnt denn auch mit der geballten Ansammlung dynamischen Fitneßvokabulars auf den neuen HHA-Plakaten: Wer beim Gewinnspiel mitmacht, dem winken zum Ausgleich für den ganzen Aktivitäts-Hype der Hamburger Hochbahn angenehm faul und geruhsam klingende Preise: ein „Wohlfühl-Wochenende“ beispielsweise, „ein Tag Entspannung pur“ oder ein „kuschelweicher Bademantel“.
