Berlin nach dem Blutbad im Konsulat

■ Die Erschießung dreier Kurden im israelischen Generalkonsulat schockiert die Stadt. Während CDU die Ausweisung von "Extremisten" fordert, mahnen Grüne und SPD zur Besonnenheit. PDS: Kurdenfrage ist inte

Die politische Klasse der Hauptstadt hat in seltener Übereinstimmung auf die Erstürmung des israelischen Generalkonsulats im Bezirk Wilmersdorf durch Kurden und das sich anschließende Blutbad reagiert: Bestürzung, Hilflosigkeit und Appelle an die kurdische Gruppe der Stadt zur Besonnenheit bestimmten das Bild. Unterschiedlich waren jedoch die Ansichten, welche politischen Konsequenzen aus dem Vorfall zu ziehen seien. Vertreter von Kurden und Türken in Berlin verurteilten die Aktion der Kurden und riefen alle Seiten zur Besonnenheit auf.

Gegen 13.45 Uhr war eine unbekannte Anzahl von Kurden über den Zaun der weißgetünchten Villa in der Schinkelstraße gestiegen und in die israelische Vertretung eingedrungen. Nach Polizeiangaben hatten daraufhin israelische Sicherheitskräfte das Feuer eröffnet – zwei Besetzer seien sofort, ein anderer erst im Krankenhaus gestorben. Ein vierter Kurde schwebte beim Redaktionsschluß noch in Lebensgefahr.

Außerdem, so die Polizei, seien 15 Kurden zum Teil schwer verletzt worden. Die kurzfristige Geiselnahme einer Botschaftsangehörigen habe ein Sondereinsatzkommando der Polizei offenbar mit Unterstützung israelischer Kräfte rasch beenden können. Mehr als 20 Personen sind von der Polizei festgenommen worden.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen reagierte mit „tiefer Betroffenheit“ auf die Tötung der Kurden. Die blutigen Auseinandersetzungen erfüllten die in Berlin lebenden Menschen „mit Schrecken und Entsetzen“. Es dürfe nicht zugelassen werden, daß „auf deutschem Boden internationale Probleme zu offenen Gewalttätigkeiten führen“.

CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky forderte die Bundesregierung auf, alles zu tun, damit Deutschland nicht zum Austragungsort von Konflikten zwischen ausländischen Gruppen werde. Straftäter müßten rigoros zur Rechenschaft gezogen und ausgewiesen werden. „Extremisten sind in Deutschland unerwünscht.“

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Hans-Georg Lorenz, beklagte, „mäßigende Worte“ verhallten in dieser Situation ungehört. Nötig sei nun ein faires Verfahren für den in der Türkei in Haft sitzenden Vorsitzenden der kurdischen Separatisten-Organisation PKK, Abdullah Öcalan, sagte der SPD-Politiker der taz. Die innerdeutsche Diskussion um eine vereinfachte Einbürgerung von Ausländern werde durch die Aktionen der Kurden erschwert. Ein Anwachsen ausländerfeindlicher Stimmung in der deutschen Bevölkerung sei zu befürchten.

„Wir sind erschrocken von dem Ausmaß der Gewalt“, unterstrich Renate Künast, Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus. Ihr Appell richte sich an alle, insbesondere an die Kurden, die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Wer einen rechtsstaatlichen Prozeß gegen Öcalan fordere, dürfe nicht glauben, dieses Ziel durch die Anwendung von Gewalt erreichen zu können.

Ihr Parteifreund, der Berliner Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele beklagte, das Vertrauen, das zwischen den Kurden und der Polizei durch die friedliche Beendigung der Besetzung des griechischen Konsulats aufgebaut werden konnte, sei nun gefährdet.

Die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau sagte gegenüber der taz, sie appelliere an die Bundesregierung, das Kurdenproblem nicht länger als rein innertürkische Angelegenheit zu behandeln. Der Vorfall in der israelischen Botschaft zeige, daß es sich um ein internationales Problem handele, an deren Lösung sich auch die EU beteiligen müsse. Es müsse eine politische Lösung des Kurdenproblems geben.

Es sei zu befürchten, daß es bei den Diskussionen um das neue Staatsbürgerschaftsrecht und die alten Terrorismusgesetze nun kaum mehr zu vernünftigen Lösungen kommen werde. ges/sam/ nau Seiten: 1, 2 und 22