"Eine Winterreise"

■ Über Auflösung und Abschied, Trennung und Neuanfang der Rainbirds - Ein Interview mit Ulrike Haage von den Rainbirds

taz: Seit zehn Jahren sind Sie bei den Rainbirds, und erst jetzt gibt es eine Live-Platte. Haben Live- Platten nicht auch etwas Problematisches?

Ulrike Haage: Finde ich auch.

Live-Platten sind eitel.

Das sehe ich nicht so. Seit Jahren ist der Wunsch nach einer Live- Platte an uns herangetragen worden, und wir haben uns als Band immer dagegen gesträubt. Ich kenne auch nicht eine einzige Live- Platte, die mich bisher überzeugt hätte, wenn man einmal von Aufnahmen aus dem arabischen Raum absieht, weil es dort oftmals gar nicht anders geht, als ein Konzert auf diese Weise zu dokumentieren. Wir ziehen mit dieser Platte ein Fazit, wir feiern uns nicht. Ein Fazit der vergangenen fünf Jahre als Trio. Wir wollten eine Bilanz ziehen, weil wir nach dieser Platte erst einmal eine Pause einlegen, in der jeder von uns dreien seine eigenen Wege gehen wird. Um dann mit neuen Ideen und Konzepten wieder zusammenzukommen. Anders gesagt: Ich kann mir die Rainbirds in einer ganz anderen Form vorstellen, einen ähnlichen Bruch wie damals, als Katharina Franck auf dem Höhepunkt ihres Erfolges die Band austauschte und einen radikalen Bruch zu dem bisherigen Sound der Band vollzog.

Ist es ein Ende mit Tränen? Die Live-Bilanz hat so eine getragene Stimmung...

Laibach haben einmal gesagt, obwohl sie es selbst nicht eingehalten haben: Jedes Kunstprojekt sollte sich nach fünf Jahren auflösen und in eine neue Phase treten. Vielleicht hat das Wissen um eine bevorstehende Transformation zu einem melancholischen Einschlag geführt. Ein Abschiednehmen mit einer Träne vielleicht. Interessant ist aber auch: Uns lagen Angebote von überall vor. Wir hätten statt der zwei Wochen, die wir jetzt im Februar auf Tournee gehen, auch zwei Monate ununterbrochen auftreten können. Wir wollten aber in den Clubs auftreten, die wir selber schätzen. Wie zum Beispiel im Mojo-Club in Hamburg, wo wir noch nie gespielt haben.

Also doch eine Abschiedstournee?

Das Seltsame ist doch, daß die als so wendig gepriesene Popmusik am allerschwierigsten mit einem Wechsel umgehen kann. Jeder versucht dich vom Gegenteil zu überzeugen. Die Plattenfirma, die Presse, dein Publikum. Vielleicht verspürten wir deshalb den Wunsch, Symbole zu bedienen, die jeder versteht: eine Live-Platte, eine Abschiedstournee, eine getragene Stimmung.

Mitunter wurden die Rainbirds sehr hart kritisiert: Von Inhaltsleere und Entrücktheit, von Pathos und Prätentiosität ist die Rede. Was für einen Nachhall finden solche Anfeindungen?

Wenig. Ich sehe das alles nicht. Ich glaube einfach, daß wir permanent und beharrlich unseren eigenen musikalischen Phantasien gefolgt sind. Und manchmal haben wir vielleicht auch den Zugang zu diesen Phantasien etwas arg verschlüsselt. Und das scheint immer wieder bestimmte Leute zu stören.

Was haben wir von den reformierten Bandmitgliedern zu erwarten?

Ich plane ein Solo-Album, auf dem ich mich so richtig austoben werde. Ich werde gemeinsam mit englischen Gastmusikern eine Instrumentalplatte mit Streichern und Elektronik aufnehmen. Katharina hingegen, die auch an einem Solo-Album arbeitet, wird den Songs verhaftet bleiben. Ob sie dabei englisch singen wird, weiß ich gar nicht. Das andere, was ich noch weiß, ist, daß sie ihre Spoken- word-Erfahrungen, die sie mit ihrer im vergangenen Jahr erschienenen „Hunger“-CD gesammelt hatte, ausbauen will. Sie schreibt seit neuestem viel auf deutsch. Ich empfinde das alles als einen Schritt weg von der Jugend, einen Schritt hin in eine Erwachsenenwelt. Die Rainbirds, wie wir sie waren, wird es nicht mehr geben.

Wenn man die Selbstdarstellung der Band betrachtet, wird die Tournee als Reise interpretiert. Kommt da nicht wieder die Rock- 'n'-Roll-Lüge ins Spiel, wonach drei Freunde ausziehen, um die Welt zu erobern?

Für mich gibt es nichts Verlogenes auf diesen Reisen. Die Fotos, die zu sehen sind, wurden in den häßlichsten Clubs geschossen, wir waren nicht geschminkt, und trotzdem sind die Fotos wahnsinnig charmant. So, wie wir uns tatsächlich gefühlt haben. Ich hätte nie ein Interesse daran, ein Konzert zu geben, wenn ich nicht wüßte, daß ich etwas tue, von dem ich überzeugt bin.

Und wenn man sich dann plötzlich in einem Sechziger-Jahre-Zweckbau in Mannheim wiederfindet, in dem runde Glaskugellampen von der Decke hängen, dann findet man dort durchaus seine Momente der Ruhe. Visuell wie körperlich empfunden. Und die machen Reisestrapazen vergessen, machen dich auf das anstehende Konzert gespannt. Für mich wird die jetzt bevorstehende Konzerttournee so etwas wie eine Winterreise durch Deutschland. Ich bin sehr gespannt.

Life's what you make it?

Eine Rheinbrücke ist nicht das Schönste von der Welt, aber manchmal sieht man sie nun einmal so. Wie heißt es so schön: Ein Tag Sonnenschein kann zwei Wochen Regen vergessen machen.

Welche Bedeutung mißt du den Alben zu – immerhin finden sich auf ihnen die originalen Versionen der Lieder, die auf der Live-Platte mitunter ganz anders klingen.

Wir haben unsere Live-Konzerte immer als Momente besonderer Intensität und Authentizität empfunden. Studioproduktionen waren immer etwas ganz anderes, etwas Künstliches, eine gewollte, tolle Künstlichkeit. Das ist ein Unterschied zu einem Künstler wie Bob Dylan, der seine Authentizität erlangt, indem er ohne Unterlaß tourt, was wir nicht machen, und bei dem Schallplattenveröffentlichungen eine Art Bestandsaufnahmen des jeweiligen Momentes darstellen. Was ich feststelle, ist einfach, daß wir sehr viel komplexere Künstler sind als das, was in die Rainbirds eingeflossen ist. Das bricht im Moment auf. Das will raus.

Meinen Sie die Theatermusiken?

Bei mir ist es so, daß ich schon immer Instrumentalmusik komponiert habe, die in Hörspielen oder Theaterstücken zum Tragen gekommen ist. Mich fasziniert der Umgang mit unromantischem Material, mit Texturen, mit wortlosem Material, das geformt werden muß, damit das Material, das Instrumentale, mit einem Mal selbst zu sprechen beginnt, zu einer eigenen Sprache transformiert. Das sind bisher zwei verschiedene, sich einander ausschließende Arbeitsmethoden gewesen: Meine musikalischen Mikrokosmen und die Rainbirds.

Warum benutzen Sie das Wort „unromantisch“?

Ich empfinde einfach einen Großteil der Pop-Songs, die ich so höre, als verklärt. Die möchte ich dann putzen, die will ich dann durchbürsten, auf daß sie der Sprache, dem Gesang nicht gleich alles vorwegnehmen. Ich finde es einfach schade, wenn Musik zu manipulieren anfängt. Interview: Max Dax

Die Rainbirds spielen am 21.2. um 20 Uhr im SFB-Sendesaal, Masurenallee 8–14