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Berliner Radikaldemokraten auf dem Weg nach Köln

■ Mit dem Kauf des Kölner „Volksblatts“ will die „Junge Welt“ Mediengeschichte schreiben

„Ein bißchen geht es uns schon wie Louis de Funès“, schrieb Junge Welt-Geschäftsführer Dietmar Koschmieder im November an seine Leser: „Wir hängen in der Luft und hoffen auf einen guten Ausgang der Geschichte.“ Bisher vergebens. Denn die Geschichte lief nicht gut für die mit einstmals 1,6 Millionen Auflage größte Zeitung der DDR. Nachdem im Sommer vor zwei Jahren Koschmieder und seinem Vizechefredakteur Holger Becker fast die gesamte Redaktion abhaute, kam die Redaktion nicht zur Ruhe. Immer wieder gingen Journalisten im Streit und über die Auflage von 14.000 verkauften Exemplaren kann Koschmieder nur berichten, sie sei „stabil“.

Um so erstaunlicher kommt die Nachricht, daß diese Zeitung Mediengeschichte schreiben will: Mit der Jungen Welt kaufe erstmals eine in der DDR entstandene Zeitung ein westdeutsches Printmedium, teilte Koschmieder in einer Einladung zu einer Pressekonferenz am nächsten Mittwoch mit: das Kölner Volksblatt. Nach der Übernahme werde es eingstellt und als Kölner Woche zur „wöchtentlichen Stadtzeitung aufgwertet“. Nächste Woche soll auch ein Vertrag unterschrieben werden. Koschmieder verkündete, der Meinungsmacht des Kölner Großverlegers Neven Du Mont (Express, Kölner Stadt- Anzeiger, Kölner Rundschau) setze man eine „radikaldemokratische Alternative“ entgegen.

An dem Projekt der Kölner Woche arbeiten derzeit Journalisten um den Filmemacher Peter Kleinert, die Du Monts Monopol bei kommunalen Themen brechen wollen. Allerdings wäre es gewagt zu behaupten, Volksblatt und Junge Welt gäben für dieses Ziel eine taufrische Kombination ab. Das dümpelnde einst DKP-nahe Volksblatt erschien zuletzt höchstens monatlich, die Kölner PDS- Bundestagsabgeordnete Ulla Lötzer nennt es trocken ein „Überbleibsel längst vergangener Tage“. In der Jungen Welt gehören Debatten der Kommunistischen Plattform innerhalb der PDS noch zu den saftigeren Themen. Denn beispielsweise ein Interview mit der Generalsekretärin der KP Griechenlands begann kürzlich mit dieser Frage: „Dieser Tage besucht eine Delegation der griechischen KP ihre Schwesterpartei in Portugal. Was hatte Ihre Partei mit der PCP zu besprechen?“ Bei so viel „radikaldemokratischen“ Journalismus kann Du Mont nur erschauern. Georg Löwisch

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