: Brandanschläge und Demonstrationen
■ Anschläge auf drei türkische Reisebüros / 300 KurdInnen demonstrierten friedlich auf dem Bremer Marktplatz / Hohes Polizeiaufgebot sichert Vielzahl von Bremer Einrichtungen
Rund 300 aufgebrachte KurdInnen hielten die Polizei gestern in Alarm. Nach den tödlichen Schüssen israelischer Sicherheitskräfte auf mehrere KurdInnen, die Israels Konsulat in Berlin gestürmt hatten, waren Bremens PKK-AnhängerInnen gestern zu einer spontanen Kundgebung auf den Bremer Marktplatz gezogen. Es war bereits die zweite Demonstration seit der Verhaftung von PKK-Chef Abdullah Öcalan zum Wochenbeginn. „Stoppt das Massaker in Kurdistan“, „Keine deutschen Panzer in die Türkei“, „Israel-USA-Terroristen“ und „Freiheit für Öcalan“ skandierten die DemonstrantInnen unter Öcalan-Konterfeis und PKK-Bannern. Redner forderten „Menschlichkeit und Gerechtigkeit“ für die Kurden in der Türkei. Sie verwiesen auf die hohe Zahl der von dort Vertriebenen – und kritisierten die Haltung Europas, „das nur zuschaut“. Möglicherweise auch, wenn Kurdenführer Öcalan, der in einem türkischen Hochsicherheitstrakt gefangen gehalten wird, dort gefoltert werde.
Rathaus und Bremische Bürgerschaft wurden gestern von einer dichten Polizeikette gesichert. Während der Kundgebung setzte sich der Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen, Arendt Hindriksen, für einen friedlichen Verlauf der Demonstration ein. Diese löste sich nach zwei Stunden ohne Zwischenfälle auf. Zuvor hatte Hindriksen dem Sprecher der Kurden versichert, daß sich eine parlamentarische Gruppe mit den Anliegen der Kurden auseinandersetzen werde.
Trotz des friedlichen Verlaufs der Kundgebung und trotz des demonstrativen Abstandes der TeilnehmerInnen zu Rathaus und Bürgerschaft herrschte auf dem Marktplatz gestern angespannte Stimmung. Wer mit den Demonstranten ins Gespräch kommen wollte, wurde immer wieder auf den Organisator der Demonstration verwiesen. Fragen an einzelne DemonstrationsteilnehmerInnen wurden durch Zurufe auf kurdisch wiederholt unterbunden. Mit Schals und Tüchern vermummte junge Männer verliehen diesem Schweigegebot auch mal mit gezieltem Ellenbogenschub Nachdruck; nur wenige DemonstrantInnen reagierten mit Gelassenheit auf zumeist ältere Passantinnen, die fragten: „Was sollen wir denn in Bremen für Sie tun?“ Direkte Gespräche über die kurdische Forderung nach einer europäischen Einmischung zugunsten eines fairen Prozesses für Öcalan und der Lösung des Kurdenproblems in der Türkei gab es kaum. Noch weniger kritische Entgegnungen von Passantinnen, wie: „Junger Mann, Sie lassen sich ja viel erzählen. Ihr Öcalan ist ja nicht nur gut.“ Die Demonstranten blieben fast ausschließlich unter sich.
In der Nacht zuvor hatte es in Bremen drei Anschläge auf türkische Reisebüros gegeben. Eines war ausgebrannt; insgesamt entstand ein Schaden von rund 70.000 Mark. Sieben Verdächtige wurden vorläufig festgenommen. Einer der betroffenen Inhaber habe sich unterdessen deutlich gegen eine Eskalation der Konflikte zwischen Kurden und Türken in Bremen ausgesprochen, berichtete die SPD-Abgeordnete Barbara Wulff, die vor Ort gewesen war. Von der Kundgebung der Kurden sei sie nicht informiert gewesen. „Ich konnte unser Fraktionsbüro den ganzen Tag nicht erreichen.“ Die Polizei bestätigte, daß die MitarbeiterInnen das Büro „wohl aus Sicherheitsgründen“ geräumt hatten. Der CDU-Abgeordnete Klaus Peters forderte unterdessen, „daß gegen gewalttätige Gesetzesbrecher umgehend ausgewiesen werden müssen.“ ede
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