■ Das Portrait
: Die Polizistin, die sich umbrachte

Silvia B., 22, entschied sich anders. Eigentlich hätte sie nach München fahren sollen, zur Arbeit in die Polizeiinspektion 14 an der Milbertshofener Knorrstraße. Statt dessen lenkte die junge Polizeiobermeisterin ihr Auto auf einen Parkplatz bei Adelzhausen, parkte, nahm ihre Dienstwaffe und erschoß sich. Kollegen von der Funkstreife fanden sie leblos hinter dem Steuer – ihr vollkommen eingeschneites Auto war ihnen aufgefallen. Silvia B. muß viel gelitten haben, soviel, daß sie, die von jenen, die sie kannten, als lebensfroh beschrieben wird, nur den Ausweg sah, sich selbst zu töten. Der Grund: sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz.

Eigentlich war Silvia B., einzige Tochter eines Landwirt-Ehepaares aus Herbingen bei Donau-Ries, gerne Polizistin: Die Anstellungsprüfung 1993 bestand sie ohne Probleme, ihre Probezeit beendete sie mit der Auszeichnung „übertrifft alle Anforderungen“. Wenn sie gefragt wurde, wie's denn so sei bei der Polizei, antwortete sie: „Prima ist es, genau das richtige“, berichtete die Süddeutsche Zeitung.

Bis die Versetzung zur Polizeiinspektion 14 kam. Nur vierzehn Tage nach dem Dienststellenwechsel ruft die junge Frau Mitte Dezember „sehr aufgeregt“ bei der Gleichstellungsbeauftragten an, bestätigte der Münchner Polizeipräsident Roland Koller der Nachrichtenagentur AFP. Sie komme mit ihren Kollegen nicht zurecht. Da war von sexueller Belästigung noch nicht die Rede. Einen Monat später wendet sich Silvia B. an einen Personalrat, diesmal mit konkreten Vorwürfen gegen Kollegen und speziell einen Vorgesetzten. Aber sie lehnt jedes Hilfsangebot ab: Sie wolle es selbst versuchen, sagt sie.

Weil sich auch schon zwei andere Frauen aus der Dienststelle beschwert haben, weil die Dienstgruppe als „frauenfeindlich“ gilt, setzt der Chef der Milbertshofener Wache, Hartmuth Meyer, eine Frau als Leiterin ein. Zu spät: Silvia B. lernt die neue Chefin nicht mehr kennen. Ihr voriger Vorgesetzter habe sie mit „obszönen Beschreibungen des Geschlechtsverkehrs massiv sexuell belästigt“, sagen die Eltern. Ein Kollege der 22jährigen bestätigt die Vorwürfe. Gegen den Beschuldigten, einen 32jährigen, verheirateten Kommissar, wird dienstrechtlich ermittelt. Einen Prozeß muß er nicht fürchten, weil die Vorwürfe, heißt es, strafrechtlich nicht relevant seien. Stefan Kuzmany