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Interpol macht den Bock zum Gärtner

Die heute in Birma beginnende Interpol-Konferenz könnte für die dortigen Drogenbarone nützlich sein. Auch deutsche Banken, die in Rangun Geschäfte machen wollen, könnten den Drogenhändlern unfreiwillig helfen  ■ Von Silke Blum

Rangun/Berlin (taz) – Pa Phit spuckt ernüchtert auf ihr Schabmesser, dann schiebt sie mit dem Daumen den zähen Opiumbrei beiseite. Wenn sie spricht, blitzt in ihrem Mund ein Rubin auf. Der Zahnschmuck ist eine Errungenschaft aus besseren Zeiten. Die Schlafmohnkapseln geben in dieser Saison wenig Saft, klagt sie. Es war einfach zu trocken. Doch trotz der Folgen des El-Niño-Effektes im Goldenen Dreieck droht kein Mangel an Stoff. Die Anbauflächen in Birma haben sich seit Ende der 80er Jahre fast verdoppelt. Die Ernte von rund 2.500 Tonnen Opium kann wieder 250 Tonnen Heroin ergeben. Damit bleibt Birma nach Einschätzung der US- Drogenbehörden der größte Heroinexporteur der Welt. Noch.

Pino Arlacchi, der Chef des UN- Drogenkontrollprogramms, kündigte kürzlich ein neues Kapitel im Kampf gegen das Rauschgift an. Arlacchis Büro hat die Dienstaufsicht über ein genetisches Labor in Usbekistan übernommen. Während des Kalten Krieges entwickelten dort sowjetische Geheimagenten biologische Waffen. Sie sollten die Nahrungsmittel der „Feinde der Sowjetunion“ vernichten. Heute finanzieren Amerikaner und Briten einen neuen Forschungsauftrag: Das Labor hat einen Pilz entwickelt, der die Schlafmohnpflanzen befällt und vernichtet (siehe taz vom 5.12.98). Der gentechnisch erzeugte Erreger wurde schon in Freilandversuchen getestet; doch die UN-Behörde hat ihren Mitarbeitern Schweigepflicht verordnet. Man fürchtet den Aufschrei von Umweltschützern, denn das Freisetzen gentechnisch veränderter Schädlinge birgt unkalkulierbare Risiken.

In diesem Jahr soll der künstlich erzeugte Pilz zur Einsatzreife gebracht werden, die Sporen könnten dann mit Flugzeugen über den Mohnfeldern versprüht werden. Die Vorstellung, daß es mit dem lukrativen Opiumgeschäft schnell vorbei sein könnte, dürfte Birmas Drogenhändlern und Militärjunta Schauer über den Rücken jagen. UN-Schätzungen zufolge nimmt Birma jährlich etwa 44 Milliarden Dollar durch Drogenhandel ein. Viele Generäle sind durch Schutzgeldzahlungen reich geworden. So stand der heutige Armeechef des Militärrats, Maung Aye, als er noch Oberkommandierender der Regierungstruppen in den Opiumbergen war, im Sold des Opiumkönigs Khun Sa. Ein vertrauliches Papier der thailändischen Drogenbehörde besagt, daß der in den 70er Jahren zum Tode verurteilte Drogenbaron Lo Hsin-han 1993 vom Geheimdienstchef Khin Nyunt das Privileg erhielt, Heroin an die thailändische Grenze zu schmuggeln.

Der Antidrogenpilz würde wohl zumindest am Rande der heute in Birmas Hauptstadt Rangun beginnenden 4. Heroin-Konferenz von Interpol zur Sprache kommen, wenn sich die USA und Großbritannien nicht wie andere westliche Staaten kürzlich zum Boykott des Treffens entschlossen hätten (taz vom 13.2. und 19.2.99). Sie befürchten eine Aufwertung der wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und der Verwicklung in den Drogenhandel geächteten Junta durch die Konferenz.

Doch Interpol hält trotz des Boykotts fast aller westlichen Staaten einschließlich Deutschlands an der Konferenz fest. Trotzdem finanziert die Bundesregierung die Kosten des dreitägigen Treffens über ihren jährlichen Interpol- Beitrag von 2,24 Millionen Mark mit.

Das Spinoagezentrum im Herzen der Hauptstadt Rangun mit seinen Beton- und Ziegelmauern, Schießscharten und Stacheldraht gleicht eher einer mittelalterlichen Festung als einer High-Tech-Einrichtung. Doch hier werden selbst Satellitentelefone abgehört und manipuliert. Dem Kampf gegen die Drogenmafia dient das Zentrum dabei nicht. Vielmehr fand hier der weltweit gesuchte Opiumkönig Khun Sa seinen ersten Unterschlupf, nachdem er 1996 mit der Regierung ein Abkommen schloß. Dafür bereitet der von hier durchgeführte totale Lauschangriff der Demokratiebewegung um die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi erhebliche Probleme.

Umgekehrt gab Birmas Junta in den vergangenen Jahren viel Geld für Maßnahmen zur Abschirmung eigener Informationsströme aus, ohne von ausländischen Mächten bedroht zu sein. Diese Investitionen wertet die Drogenmafia als Standortvorteil, denn Diskretion ist ihr oberstes Gebot. Birma hat inzwischen auch Thailand den Rang als Drehscheibe der Geldwäsche abgelaufen. Als die Bank von Thailand ankündigte, das Bankwesen zu liberalisieren und damit die Monopole sinoasiatischer Familienclans zu brechen, reagierten die Banker alarmiert. Man überzeugte die birmesischen Geschäftspartner von den Vorteilen einer wirtschaftlichen Öffnung. Das „Besucht-Birma-Jahr“ bot die Gelegenheit, durch Großinvestitionen im Tourismussektor Drogengelder zu „waschen“. Seitdem werden immer mehr Einnahmen des Drogengeschäfts in Birmas Wirtschaftskreislauf eingeschleust. Der Finanzmarkt boomt.

Auch die Deutsche, die Dresdner und die Berliner Bank sowie die West/LB bemühen sich zur Zeit um eine Zulassung in Birma. Während seit 1992 Bankbeamten in Deutschland auch bei fahrlässiger Annahme von Drogengeldern Haftstrafen drohen, haben deutsche Banker in Birma nichts zu befürchten. Dabei entstammt nach Schätzungen der US- Botschaft in Rangun die Hälfte des in Birma im Umlauf befindlichen Geldes aus illegalen Geschäften. Aber Geldwäsche ist in Birma legal. Obwohl diese für die Drogenhändler genauso wichtig ist wie Produktion und Transport der Ware, setzt die deutsche Regierung vor allem auf den Kampf gegen den Drogenschmuggel und will daher die Möglichkeiten der Polizei in den Erzeugerländern verbessern: „Materielle Unterstützung bei Observationen, Lieferung von Kommunikations- und Transportmitteln [und] Informationstechnik“ stehen auf dem Aktionsplan der Bundesregierung von 1990, dessen internationale Ziele auch von der neuen Regierung vertreten werden.

Verbindungsleute des Bundeskriminalamts stehen bereits mit der Führung in Rangun in Kontakt. Die Möglichkeit, Abhörtechnik gratis zu bekommen, muß in den Ohren birmesischer Sicherheitskräfte wie Musik klingen. Auf dem internationalen Parkett klagt Birmas Junta immer wieder über mangelnde technische Hilfe aus dem Ausland. Dabei untersteht die zentrale Einheit „Drogen“ gar nicht der Polizeibehörde, sondern dem Innenministerium. Birmas Polizei ist hingegen sehr gut ausgestattet. Bei der demokratischen Opposition ist vor allem die Sonderkommission „Politische Untersuchung“ gefürchtet. Menschenrechtsgruppen schätzen, daß zur Zeit 2.000 Regimegegner inhaftiert sind. In den Gefängnissen wird gefoltert. Da mutet es seltsam an, daß der Interpol-Generalsekretär auf der UN-Drogenkonferenz in Wien im vergangenen Jahr betonte, die internationale Polizeizusammenarbeit müsse im Geiste der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erfolgen. Derweil finden immer mehr international gesuchte Drogenhändler offen Zuflucht in Birma, ohne von den Behörden behelligt zu werden, zuletzt in diesem Monat der Amphetaminkönig Wei Hsueh-kang. Für seine Ergreifung sind in den USA zwei Millionen Dollar ausgesetzt.

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