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Auch IG Farben will sich freikaufen

■ Konzern in Abwicklung erinnert sich an Nazi-Vergangenheit. Neue Stiftung reicht ehemaligen Zwangsarbeitern aber nicht

Berlin (taz) – Am 25. März wollen sich die AktionärInnen der IG Farben AG in Abwicklung (i.A.) in der Stadthalle von Bergen-Enkheim am nördlichen Rand von Frankfurt am Main zu ihrer Hauptversammlung treffen. Dreimal mußte dieses aktienrechtlich längst überfällige Treffen im letzten Jahr verschoben werden, weil die IG- Farben-Nachfolger keine geeigneten Räume fanden.

Beim vierten Versuch hoffen die AktionärInnen auf mehr Erfolg. Schließlich soll auf der Aktionärsversammlung eine Stiftung gegründet werden, mit der die Opfer des IG-Farben-Konzerns entschädigt werden sollen. Außerdem soll Geld für die Aufarbeitung der IG- Farben-Firmengeschichte bereitgestellt werden, hieß es auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Frankfurt. Allerdings wurde der Zeitpunkt der Stiftungsgründung ebensowenig genannt wie der Betrag, der dort einbezahlt werden soll. Eine beschleunigte Auflösung des Konzerns wurde ebenfalls angekündigt. Zuvor müßten allerdings noch laufende Verfahren und die Rückerstattung von Altvermögen abgewartet werden.

Das IG-Farben-Chemiekartell war in der Nazizeit für den Tod Zehntausender ZwangsarbeiterInnen verantwortlich. Als erstes Privatunternehmen nutzte der Konzern in großen Umfang AuschwitzHäftlinge als Sklavenarbeitskräfte für seine Firmen. 1948 haben die Alliierten die Auflösung des Konzerns bis 1953 beschlossen.

Daran erinnern kritische AktionärInnen und ehemalige ZwangsarbeiterInnen, die die IG-Farben- Aktionärsversammlungen seit Jahren mit Protesten begleiten. Die AktionärInnen reagierten teilweise mit wüsten Beschimpfungen auf die KritikerInnen. Gerade nach 1989 dachten sie eher an die Rückübertragung alter Besitztitel im Osten als an Entschädigung oder gar an Auflösung.

Auch nach den jüngsten Vorschläge werden die Proteste gegen die Aktionärsversammlung weitergehen, kündigten IG-Farben- KritikerInnen an. „Dieser unkonkrete Vorschlag geht nicht weit genug. Die Blutfirma muß unverzüglich aufgelöst und ihr gesamtes Vermögen den überlebenden ZwangsarbeiterInnen zur Verfügung gestellt werden“, kommentiert Henry Mathews vom Dachverband der Kritischen AktionärInnen die jüngste Initiative.

Auch Peter Gingold vom Auschwitz-Komitee sieht die Vorschläge als Versuch, der Protestbewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ob das Kalkül aufgeht, wird sich am 25. März in Frankfurt zeigen. Unter dem Motto „Kein Neuanfang für IG Farben“ will das bundesweite „Bündnis gegen IG Farben“ protestieren. Peter Nowak

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