: Mächtig fetzen, locker suchen
Brunsbüttel oder Stade abschalten? Interne Kritik am grünen Umweltsenator. Koalitionsrunde sucht Ausweg aus dem Atomstaat ■ Von Sven-Michael Veit
Und noch ein Konsensgespräch über den Atomausstieg: „Natürlich redet der Bürgermeister gern mit dem Koalitionspartner“, versichert Ludwig Rademacher, Sprecher von SPD-Senatschef Ortwin Runde. Der werde „ganz locker“ bei der Suche nach Antworten helfen, wenn die GAL Fragen habe.
Sie hat. Zum Beispiel, wie es angehen kann, daß der Bürgermeister und ebenso der grüne Umweltsenator Alexander Porschke auf einen Hamburger Sonderweg beim Atomausstieg verzichten? Und warum nicken sie nur, wenn der Vorstandschef der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW), Manfred Timm, sich weigert, die im rot-grünen Koalitionsvertrag angestrebte Stillegung des AKW Brunsbüttel durch Kündigung des Betreibervertrages umzusetzen?
Beide Punkte hatten Porschke und Runde in einer Verhandlung mit Timm am Dienstag voriger Woche akzeptiert – und damit große Teile der grünen Fraktion, so wird geraunt, „sehr verärgert“. Am Montag abend beschloß diese deshalb, mit dem Regierungspartner in einem baldigen Koalitionsgespräch auf höchster Ebene den weiteren „gemeinsamen Weg“ aus dem Atomstaat zu klären.
„Wo ist das Problem?“, fragt sich und den Regierungspartner gleichermaßen Dorothee Stapelfeldt, Geschäftsführerin der SPD-Fraktion. Der „Geist des Koalitionsvertrages“ beinhalte doch wohl, daß SPD wie GAL „den Ausstieg wollen“. Wenn statt Brunsbüttel der Uralt-Meiler Stade, der auf der Stillegungsliste der Bonner Koalition ganz oben steht, zuerst abgeschaltet würde, sei die Hamburger Regierungsvereinbarung „zwar berührt, aber doch positiv modifiziert“. Wenn die GAL mit dem Abschalten Stades ein Problem habe, vermutet Stapelfeldt, „ist das wohl eher ein inner-grünes Thema“.
Damit könnte sie so Unrecht nicht haben. Umweltsenator Porschke und die energiepolitischen Experten der GAL haben sich glaubwürdigen Gerüchten zufolge „mächtig gefetzt“. Porschke, so die Kritik, hätte öffentlich widersprechen müssen, als HEW-Chef Timm die Kündigung des Brunsbüttel-Vertrages auf der Pressekonferenz nach dem Dreier-Gespräch vor einer Woche vom Tisch wischte. Jetzt sei der Eindruck entstanden, die GAL sei mit dem Verzicht auf eine schnelle Stillegung Brunsbüttels einverstanden.
Zwar glauben selbst des Umweltsenators heftigste Kritiker nicht, daß dieser sich die Timm-Linie zu eigen gemacht hätte. Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die HEW-Chef Runde und Porschke vorgelegt hatten, könnten so einfach nicht ignoriert werden. Die Stromproduktion im AKW Brunsbüttel sei demnach um etwa 90 Millionen Mark pro Jahr billiger als in einem neu zu errichtenden Gas- und Dampfturbinenkraftwerk, das bei den Grünen als ökologische Alternative zu AKWs gilt. Dennoch, stellt GAL-Fraktionssprecherin Tina Fritsche klar, „müssen wir das Paket nochmal aufschnüren“.
Und zwar in der Hoffnung, sagt einer, der an dem rot-grünen Spitzengespräch vermutlich in der nächsten Woche teilnehmen wird, „einen Strang zu finden, an dem SPD und GAL gemeinsam ziehen können“.
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