: Nibelungen der Lüfte
■ Dank eines überragenden Dieter Thoma gewinnt das deutsche Team unter widrigen Bedingungen den Weltmeistertitel im Skispringen
Berlin (taz) – Adel verpflichtet – und ein Doppelsieg bei der WM erst recht. Als haushohe Favoriten waren die deutschen Skispringer gestern im österreichischen Bischofshofen in den Mannschaftswettbewerb der Weltmeisterschaft gegangen, nachdem Martin Schmitt am Sonntag in der Einzelkonkurrenz Gold und Sven Hannawald Silber geholt hatten. Am Ende gewannen sie tatsächlich den Titel, allerdings waren es nicht die beiden Medaillengewinner, die den größten Anteil am Sieg hatten. Zum besten Springer der Konkurrenz schwang sich vielmehr Dieter Thoma auf, der am Sonntag zu seiner großen Enttäuschung nur den achten Platz belegt hatte.
Dem WM-Sieg vorausgegangen war ein turbulenter Wettbewerb, bei dem ständiges Schneetreiben manchem Springer einen dicken Strich durch die Rechnung machte. Sven Hannawald etwa, der als erster Springer des deutschen Teams eigentlich die Konkurrenz schocken und seine Mannschaft schnurstracks an die Spitze führen sollte. Statt dessen geriet er bei der Landung seines 132,5 Meter-Sprunges in den Neuschnee und stürzte. Schon vorher hatte Bundestrainer Reinhard Heß davor gewarnt, die Einzelergebnisse einfach zu einem sicheren Mannschaftssieg hochzurechnen. „Die Karten werden neu gemischt“, weiß der Coach aus alter, zuweilen leidvoller Erfahrung und stapelte deshalb vorsichtshalber ein wenig tief: „Japan ist für mich Topfavorit, und Österreich brennt.“
Ein Teamwettkampf hat jedoch den Vorteil, daß nach dem Mißgeschick des einen der andere in die Bresche springen kann, um die Sache auszubügeln. Das tat im ersten Durchgang, nach einem soliden Satz von Christof Duffner auf 126 Meter, vor allem Dieter Thoma, der mit 136 Metern einen neuen Schanzenrekord aufstellte und seine Equipe wieder an die Spitze brachte.
„Das war ein Sprung, den man sich im Einzel wünscht“, machte Thoma keinen Hehl aus seinen Prioritäten, konnte aber auch nicht sagen, „was ich anders gemacht habe“. Weltmeister Martin Schmitt schloß den Durchgang bei erneut verkürztem Anlauf mit 122 Metern keineswegs brillant ab, aber immerhin so, daß es trotz des Hannawald-Sturzes zur Führung für das deutsche Team reichte.
„Ich hoffe, ich habe es einigermaßen noch rausgeholt“, freute sich eher verhalten Sven Hannawald, nachdem er zu Beginn des zweiten Durchgangs den Schanzenrekord von Thoma mit 137 Metern noch überboten und den Vorsprung ausgebaut hatte. Diesmal war es Duffner, der bei der Nominierung den Vorzug vor den Kollegen Jäkle und Hornschuh bekommen hatte, der im Auslauf zu Boden ging, und auch ein zweiter starker Sprung von Dieter Thoma konnte nicht verhindern, daß vor der letzen Runde Japan die Spitze übernommen hatte.
Die Entscheidung mußte das Duell zwischen Kazuyoshi Funaki und Martin Schmitt bringen. Japans goldbehangener Nationalheld bei den Olympischen Spielen in Nagano gegen den 21jährigen, der laut Bundestrainer Heß „von den Teenies fast wie ein Held aus der Nibelungensage verehrt wird“. Nun sind die Zeiten, als Jugendliche für Siegfried und Dietrich von Bern zu schwärmen pflegten, zwar seit geraumer Zeit vorbei, doch Schmitt tat alles, um seine persönliche Heldensage fortzuschreiben. Seine 124,5 Meter genügten, um doch noch an den konsternierten Japanern vorbeizuziehen und den Titel zu holen.
Also doch wieder Martin Schmitt, der in Bischofshofen dieser Tagen eifrig Ruhm und Vermögen mehrt. „Es reicht für ein schönes Einfamilienhaus“, gab sein Manager erste Ergebnisse bekannt. Matti
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