: Erlaubnis für einen Besuch bei Öcalan
Witterung verhindert Überfahrt eines Anwalts von Öcalan nach Imrali. Staatsanwaltschaft beantragt Todesstrafe wegen Hochverrats. Öcalan packt über Auslandskontakte und Unterstützung der PKK aus ■ Aus Istanbul Jürgen Gottschlich
Osman Baydemir ist der erste Anwalt, der gestern vom Staatssicherheitsgericht die Erlaubnis erhielt, Abdullah Öcalan zu besuchen. Bis zum Nachmittag war fraglich, ob Baydemir tatsächlich nach Imrali übersetzen konnte, da ein heftiger Sturm über das Marmarameer zieht. Baydemir gehört zu einer Gruppe von 15 AnwältInnen, die sich als Verteidiger beim Staatssicherheitsgericht anmeldeten. Sobald Osman Baydemir Öcalan auf Imrali besuchen kann, wird sich herausstellen, welchen Rechtsbeistand „Apo“ verpflichten will. Die beiden prominentesten Namen aus der Anwaltsgruppe sind Eren Keskin und ihr Mann Ahmet Zeki Okcuoglu. Eren Keskin ist die Vorsitzende des Istanbuler Zweigs des Menschenrechtsvereins IHD, ihr Mann ein kurdischer Intellektueller. Beide saßen bereits wegen PKK- Propaganda im Gefängnis. Eren Keskin war im September 1994 zu 12 Jahren Haft wegen Propaganda für die PKK verurteilt worden. Sie hatte in einem Bericht an das belgische Parlament, der in der später verbotenen, kurdisch orientierten Tageszeitung Özgür Gündem veröffentlicht wurde, schwere Anklagen gegen den türkischen Staat erhoben.
In Deutschland wurde sie bekannt, als ihr zu einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestages 1995, wo sie über die „kurdische Frage“ referieren sollte, die Ausreise verweigert wurde.
Gestern gingen die sieben Tage, die ein Verhafteter maximal von der Polizei festgehalten werden darf, bevor er einem Haftrichter vorgeführt werden muß, für Abdullah Öcalan zu Ende. Im Falle Öcalans könnte sich diese Prozedur verschieben, weil aufgrund der Witterungsbedingungen der Zugang zu Imrali erschwert ist. Die Staatsanwaltschaft beantragte gestern wegen Hochverrats die Todesstrafe gegen Öcalan. Bezüglich der Siebentagefrist machte sie geltend, daß sie zwei Tage verloren hat, weil sie Ende letzter Woche nicht übersetzen konnte.
Über die bisherigen Ergebnisse der Vernehmung Öcalans berichten die türkischen Zeitungen ganz unterschiedlich. Während Cumhuriyet nur darstellte, mit welchen Ermittlungskomplexen Öcalan konfrontiert wurde, und dabei vor allem auf die innenpolitischen Kontakte der PKK eingeht, gibt sich das Massenblatt Hürriyet als Sprachrohr des Sicherheitsapparates. Danach hat Öcalan Aussagen über Auslandskontakte der PKK gemacht, über Ausbildung und Unterstützung der PKK in Griechenland sowie Waffenlieferungen an die PKK ausgepackt. Das Blatt berichtete auch über ein Video, das Öcalan aufnehmen läßt und in dem er seine Anhänger zur Aufgabe auffordern will.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen