Dasein am Nicht-Ort

Safe mit der Life-Art-Gruppe Gob Squad auf Kampnagel verheißt flugreisenmäßige Entspannung. Bis der Strom ausfällt  ■ Von Christiane Kühl

Die ganze Aufregung im Urlaub, das ungewohnte Essen, die Menschenmengen. Der Streß beim Meeting, der Zeitdruck, gerade noch rechtzeitig zum Flughafen gekommen. Endloses Einchecken, Gedränge beim Platzsuchen. So eine kleine Tüte Erdnüsse, ein Plastikbecher mit Getränk nach Wahl, das stets gleiche und damit wiedererkennbare Lächeln der Stewardess sind da mit einmal ein Stück Zuhause. „Welcome on Board“, spricht der fremde Mann im Cockpit, dem wir gerade unser Leben in die Hand gelegt haben, und wir lehnen uns ganz entspannt zurück.

Safe heißt die jüngste Produktion der Life-Art-Gruppe Gob Squad. Die sechs Performer leben in Nottingham, Berlin und Hamburg und sitzen, um ihre stets kollektiv entstehenden Projekte zu realisieren, seit 1994 verdammt viel in Flugzeugen und Waiting areas. Immer mehr, so Berit Stumpf, habe sie dabei der Airport als reiner Durchgangsort, genaugenommen als Nicht-Ort interessiert. „Die Menschen gehen zum Flughafen, damit man sie woanders hinbringt. Das ist im Grunde beim Theater dasselbe.“ Die Parallele begann Gob Squad inklusive aller Begleitphänomene zu faszinieren. „Lampenfieber ist der Angst vorm Fliegen sehr ähnlich“, beschreibt Liane Sommers, die wie alle Mitglieder der Gruppe keine Schauspielschule besucht hat, sondern am sehr viel umfassender ausgerichteten Department of Visual and Performing Arts der Nottingham Trent University studierte. „Es geht hoch hinaus, aber da ist immer das Risiko, abzustürzen.“

So kommt es, das Gob Squad, die in Deutschland vor allem durch die gemeinsam mit Stefan Pucher bei der dokumenta x gezeigte Performance 15 Minutes to comply von sich reden machten, mit Safe ihr erstes „echtes“ Theaterstück präsentieren. Denn nachdem 15 Minutes in einer U-Bahnstation gezeigt wurde, Haus in einer leerstehenden Villa, Work in einem Büro und Calling Laika auf einem Parkplatz, wo die Zuschauer in Limousinen dem Geschehen folgten, spielt Gob Squad nun zum ersten Mal auf einer Bühne in einem Theater. Stumpf betont, daß das nicht etwa den Abschied von Site-specific-works markiere: „Der Theaterraum ist für uns nicht alltäglich. Deshalb setzten wir uns auch spezifisch damit auseinander.“

Ganz weiß ist die Bühne von Safe gestaltet, als perfekter Projektionsraum von (Flughafen-)Videos und anderen Halluzinationen. Eine Bar wird es geben, an der sich die Charaktere berauschen und einmal mehr vergessen, wo in Raum und Zeit sie sich bewegen. Und eine Liveband, zusammengesetzt aus den Performern, die ihre Flugangst frontal potenzieren wollen: Seit gerade sechs Wochen lernen sie zu spielen. Vor dem Absturz soll ein Schild retten, auf dem „We aim to please“ steht. Entertainment ist Gob Squads erstes Anliegen, im Himmel wie auf Erden. Das Publikum darf sich zurücklehnen. Dann fällt der Strom aus.

Premiere: Mittwoch, 3. März, 20.30 Uhr, Kampnagel