: Unter besonderer Berücksichtigung der Frauen
Seit elf Jahren gibt es das Förderprogramm Frauenforschung des Senats. Nachdem der Rechnungshof vergeblich versuchte, es abzuschaffen, beantragen immer mehr arbeitslose Wissenschaftlerinnen Zuschüsse ■ Von Andrea Dech
„Die Mitgift venezianischer Frauen in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts“ hat Linda Guzzetti untersucht. Elfriede Lemke beschäftigt sich mit Existenzgründerinnen in den neuen Bundesländern. Die Beispiele zeigen die thematische Bandbreite der Untersuchungen, die durch das Förderprogramm Frauenforschung des Senats ermöglicht werden.
Das seit 1988 bestehende, bundesweit einmalige Programm kann Forschungsprojekte bis zu zwei Jahren, Stipendien bis zu einem Jahr und Infrastrukturmaßnahmen zum Erhalt von frauenspezifischen Einrichtungen fördern. 1988 stand ein Etat von 1 Millionen Mark zur Verfügung, 1990 wurde der Etat auf 3 Millionen Mark aufgestockt, heute liegt er knapp darunter. Vielen arbeitslos gewordenen Ostberliner Wissenschaftlerinnen konnte durch die Förderung der Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglicht werden. Das Programm zeigte auch insgesamt positive arbeitsmarktpolitische Wirkungen: Eine Auswertung der Förderjahrgänge 1988–92 ergab, daß nach der Teilnahme an dem Programm nur noch halb so viele der geförderten Forscherinnen erwerbslos waren wie vorher.
Von all dem ließen sich die Herren des Rechnungshofes aber nicht beirren, als sie 1996 angesichts der Haushaltslage Berlins kurzerhand die Einstellung des Förderprogramms empfahlen. Anlaß war das ethnologische Forschungsprojekt „Möglichkeiten des Arbeitseinsatzes von Eseln in kleinbäuerlichen Betrieben unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsgebiete der Frauen am Beispiel zweier Regionen in Marokko“. Der Nutzen für Berlin sei, wie die Prüfer des Rechnungshofes genüßlich formulierten, bei diesem Forschungsprojekt nicht unmittelbar zu erkennen. Daß die Wissenschaftlerin selbst aus Berlin kam und viele der thematisch breit gestreuten Forschungsarbeiten durchaus einen Berlinbezug haben, ließen die Kritiker unberücksichtigt.
Glücklicherweise blieb das Programm erhalten, denn es ist heute nötiger denn je. Fast die Hälfte der Wissenschaftlerinnen, die 1997 gefördert wurden, waren zur Zeit der Antragstellung erwerbslos – so viele wie noch nie seit Beginn des Programms. „Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist in Berlin durch die Streichungen an den Unis besonders prekär“, sagt Silvia Lange, die über die Formierung der völkischen Frauenbewegung in den 1920er Jahren forschte. Die Förderung ermöglichte ihr, ebenso wie Linda Guzzetti und Elfriede Lemke, den Abschluß ihrer Dissertation und damit bessere Berufschancen.
Ein langer Atem ist gefragt. Gabriele Knapp konnte dank der Förderung 1995 ihre Dissertation „Das Frauenorchester in Auschwitz“ abschließen und veröffentichten. „Die Leiterin der Gedenkstätte Ravensbrück ist auf mein Buch aufmerksam geworden und fragte an, ob ich über Musik in Ravensbrück forschen wolle“, erzählt Knapp. Drittmittel für ihre Stelle mußte sie aber selbst einwerben. Eineinhalb Jahre schrieb sie Anträge, endlich hat es geklappt: „Für eineinhalb Jahre bin ich jetzt bei der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten angestellt.“
Noch bis zum 1. März 1999 kann frau sich mit einem Forschungsvorhaben bewerben. Infos bei der Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen, Storkower Straße 97, Tel. 9022-3435
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