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Trauer um Sema, Ahmed und Mustafa

■ Ohne größere Zwischenfälle demonstrieren fast zehntausend Menschen gegen die Schüsse vor dem israelischen Konsulat. 3.500 Polizisten aus fünf Bundesländern im Einsatz. Türkische Fluglinie weigert sich, di

Entgegen den Befürchtungen von CDU und SPD ist der gestrige Trauermarsch für die drei am israelischen Generalkonsulat getöteten Kurden vorwiegend friedlich verlaufen. Nach Angaben der Polizei nahmen etwa 8.500 Personen teil. Die Veranstalter sprachen von 10.000 bis 20.000 Trauernden, die meisten von ihnen Kurden.

In anfangs dichtem Schneetreiben zogen die Demonstranten am Nachmittag vom Kreuzberger Blücherplatz über die Yorckstraße bis zur Urania nach Schöneberg. An der Spitze des Zuges fuhren zwei Leichenwagen mit den Särgen der Toten. Die 18jährige Sema Alp, der 24jährige Ahmed Acac und der 29jährige Mustafa Kurt waren vor acht Tagen im israelischen Generalkonsulat von Sicherheitsbeamten erschossen worden.

Bereits im Vorfeld hatten Polizei und Bundesgrenzschutz, die an diesem Tag mit 3.500 Mann aus fast ganz Deutschland angerückt waren, umfangreiche Kontrollen in der Stadt und an nahe gelegenen U-Bahnhöfen durchgeführt. Bis Redaktionsschluß nahm die Polizei 47 Kurden fest – unter anderem wegen des Besitzes von Waffen und PKK-Symbolen. Die Beamten gingen allerdings nicht gegen Trauernde vor, die solche Symbole im Zug führten, um die Stimmung nicht zusätzlich anzuheizen.

Zu einem kleineren Zwischenfall kam es lediglich, als aus einem von Türken bewohnten Haus an der Demonstrationsstrecke die türkische Flagge gezeigt wurde. Aufgebrachte Kurden, die das Haus stürmen wollten, wurden jedoch von der Polizei und kurdischen Ordnern daran gehindert. Die Veranstalter hatten zuvor zugesichert, daß sie Krawalle nicht dulden würden.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, lobte das Bemühen der Veranstalter, einen friedlichen Verlauf des Zuges zu erreichen: „Die Kurden haben gezeigt, daß es ihnen ernst ist, friedlich zu agieren. Ich hoffe, daß sie diese Haltung beibehalten.“ Wieland forderte, daß es künftig keine deutschen Waffenlieferungen an die Türkei geben solle. Er kritisierte zudem, daß es eine Woche nach den tödlichen Schüssen im israelischen Generalkonsulat noch immer keine vollständige Aufklärung über das tatsächliche Geschehen gebe.

Wielands Fraktionskollege, Riza Baran, selbst kurdischer Herkunft und einer der Organisatoren des Trauermarsches, sagte: „Die Kurden werden sehen, daß man auf dem Weg des friedlichen Protestes mehr erreicht.“

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) wollte sich gestern zur Demonstration nicht äußern. Er hatte im Vorfeld des Trauermarsches Ausschreitungen befürchtet und noch am Tag zuvor gedroht, daß im Falle von Gewaltakten Konsequenzen gezogen würden, „die weit über die Durchführung der Veranstaltung hinausreichen“. Dennoch hatte die Innenverwaltung letztlich die Demonstration nicht verboten.

Aus Angst vor möglichen Ausschreitungen hatten Schulen entlang der Strecke des Trauermarsches vom Landesschulamt die Erlaubnis erhalten, ihre Schüler vorzeitig nach Hause zu schicken. Sie sollten nicht in den Demonstrationszug geraten.

Unklar war gestern noch, wann die Toten in die Türkei überführt werden. Wie ein Sprecher der türkischen Botschaft in Bonn mitteilte, muß dies von offizieller Seite zwar nicht gesondert genehmigt werden. Doch habe sich die Fluglinie Turkish Airlines geweigert, die Toten wie geplant heute nachmittag in ihre Heimat zu transportieren. „Die Türkei will weder etwas mit lebenden, noch mit toten Kurden zu tun haben“, kommentierte dies Riza Baran. Der Transport soll nun möglicherweise erst am Freitag stattfinden. rol, chr, ges

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