: Wenn der Senator nichts erzählt
■ Ex-Sozialsenator Ortwin Runde sagt vor dem PUA Filz nicht aus
Der Zeuge redet viel, sagt wenig und bittet um Verständnis für Gedächtnislücken. Es sei alles schon lange her, sechs Jahre mittlerweile, aber er wolle sich bemühen „zu rekonstruieren“. Eine Behauptung, die um so unglaubwürdiger wird, je länger die Vernehmung dauert.
Der Zeuge heißt Ortwin Runde (SPD), ist Hamburgs Erster Bürgermeister, war von 1988 bis zum Herbst 1993 Arbeits- und Sozialsenator und wurde in dieser Eigenschaft am Mittwoch abend fast fünf Stunden lang vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Filz verhört. Zu hören bekam dieser vor allem den Satz: „Das ist mir nicht erinnerlich.“
Runde habe „gedeckelt“, kritisierte deshalb gestern die CDU-Abgeordnete Antje Blumenthal. Um „ernsthafte Aufklärung war er nicht bemüht“. Ein Fazit, dem höchstens die SPD-Mitglieder des PUA zu widersprechen wagen würden. Wenn sie denn mal den Mund aufmachten, was sie bei Zeugenvernehmungen nur selten und im vorliegenden Fall ausschließlich beim Pausen-Büffet taten.
In Rundes Amtszeit als Sozialsenator hatte der Geschäftsführer des ABM-Trägers Altonaer Jugendarbeit (aja), der SPD-Politiker Michael Pape, von Arbeitsamt und Stadt bezahlte Jugendliche sowie Sachmittel für die Sanierung zweier Privathäuser eingesetzt. 1995 wurde Pape wegen Betruges verurteilt. Wie stand es denn, so eine der zentralen Fragen von GAL und CDU, mit der Kontrolle der sachgemäßen Verwendung der Behördenmittel? Die sei, daran könne er sich durchaus erinnern, „regelmäßig und systematisch gewesen“, beteuerte der Zeuge Runde. Er selbst habe, kaum in Amt und Würden, das Instrument der Innenrevision eingeführt. Aber offensichtlich habe er nur mangelhaft kontrolliert, ob die Kritik der Innenrevision umgesetzt und Mängel abgestellt worden seien, hielten ihm die CDU-Mitglieder des PUA vor. „Diese Wahrnehmung“, versetzte Runde, „kann ich nicht nachvollziehen.“
Ebensowenig wie eine Antwort seiner Behörde im Februar 1993 auf eine Große Anfrage der FDP-Fraktion. „Nein“, hieß es darin, es seien „keine Abweichungen“ bekannt zwischen den Zuwendungsbescheiden an die aja und der Verwendung der Mittel. In einem Antwort-Entwurf, den der PUA in den Akten fand, hieß es jedoch: „Ja.“ Es seien „sechs Abweichungen im Volumen von 470.000 Mark“ ersichtlich. Der Zeuge Runde zuckte die Schultern. Er habe eine große Behörde geleitet, da könne man nicht alles wissen.
Aber, insistierte Antje Blumen-thal, als Senator hätte er den Antwort-Entwurf kennen müssen. Und er habe die Verantwortung für die schließlich erteilte Auskunft, die „offensichtlich eine Lüge“ und eine Mißachtung des Parlaments gewesen sei.
Das mit der Lüge könne er „nicht nachvollziehen“, beschied sie Runde. Und fügte patzig hinzu: „Opposition, Frau Blumenthal, ist manchmal hart.“ Sven-Michael Veit
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