: Frau im „Männer-Ausland“
■ Annemieke Wijn ist in Bremen die einzige Top-Frau im Vorstand von „Kraft Jacobs Suchard“ / Die Holländerin diskutiert am Wochenende mit der Grünen Kerstin Müller über „Frauen als Wirtschaftsfaktor“
Ganz oft beschleicht Annemieke Wijn noch ein Gefühl von „Ausland“ – zum Beispiel, wenn sie sich zu bundespoliti-schen Fragen äußern soll. Oder wenn sie auf merkwürdige deutsche Wörter stößt – wie das Wort „Genußmittel“ zum Beispiel. Aber anderes Denken ist sie gewohnt – als zeitweilige New Yorker-, Schweizer- und Münchnerin ist „Flexibilität“ ihr oberstes Gebot. Gut vorbereitet fühlt sich Annemieke Wjin deshalb für ein Reiseziel, zu dem sie jeden Morgen wieder neu durchstartet: Als einzige Frau in die Männer-Chefriege von Kraft Jacobs Suchard (KJS) und damit direktemang ins „Männer-Ausland“.
„Anders denken“ tut mann nämlich da, erzählt die Managerin – irgendwie mehr „linear und hierarchisch“ und nicht so fraulich „ganzheitlich“, sagt die Frau, die vor zwei Jahren als neue Kaffee-Chefin für Kraft Jacobs Suchard nach Bremen kam. Seitdem sitzt sie allein unter zehn Männern als einzige Top-Managerin im Vorstand von KJS – und beobachtet da, wie Männer andere Männer befördern, weil das ganz einfach naheliege bei der Überzahl des gleichen Geschlechts: Im Kaffee-Schokolade-Kraft-Konzern wirken 20 Prozent Frauen im mittleren Management.
Von gesetzlich vorgeschriebenen Frauenquoten in Unternehmen hält die 47jährige trotzdem nichts: „Quoten bringen Frauen in Situationen, die sie vielleicht nicht meistern können“, sagt sie, „sie schüren den Verdacht, nur wegen der Quote da zu sein und sind unfair gegenüber allen Frauen, die es auch so geschafft hätten“ – wie sie – mit „Glück“ und dem festen Willen, „wirklich etwas bewegen zu wollen“. Ob das „nun gerade gut schmeckender Kaffee ist, den die Menschheit braucht“ – darüber muß Annemieke Wijn allerdings selber etwas verschmitzt die Mundwinkel hochziehen.
Immerhin: Sie erreichte nach 20 Jahren im Konzern den Posten, den sie immer wollte. Den Chefposten, auf dem man ein „richtig eigenes Geschäft betreiben“ kann. Auf dem man MitarbeiterInnen „zeigen kann, welches gemeinsame Ziel wir haben. Und sie dann einfach loszulassen und machen zu lassen.“ Der Posten einer Führungskraft eben. Gestalt: weiblich, erfolgsgewandt. „Wer wirklich aufsteigen will, muß sich klar sein: Das kostet eine Menge an privaten Möglichkeiten.“ Mangelnde Mobilität und einen Partner, der beim eigenen Karriereweg nicht mitmacht – das sind laut Wijn die eigentlichen Hemmnisse für Frauen auf dem Weg zur Führungskraft.
„Leider“, so sagt sie, „ist es immer noch das normale Muster, daß die Frau mitgeht, wenn der Mann weg muß“. Sie selbst hatte dagegen einen, der mitging. Und sich „um unsere kleine Tochter kümmerte.“ Schließlich war er viel älter als sie, „hatte seinen Karrierehöhepunkt in der gleichen Firma schon hinter sich: Da hat er gesagt, „jetzt bist du dran“. Und sie ging los – als in den USA studierte Diplom-Ingenieurin arbeitete sie sich von der Forscherin und Entwicklerin bei „General Foods“ in den USA zur Marketing-expertin in Sachen Kaffee hoch. Marketingdirektorin war sie dann irgendwann bei Kaffee HAG, schließlich „bewegte“ sie mächtig was als Leiterin der europäischen Lebensmittelforschung für KJS.
Bis ihr Mann an Krebs starb – und eine etwas andere Prioritätensetzung begann. Nach Bremen ging sie dann – und kam so eigentlich auf „Umwegen“ zu dem Topjob, der ihr so wichtig war. Aber „Alleinerziehung“ wollte auch organisiert sein: „Ich merkte, daß meine Tochter plötzlich jeden Abend allein zuhause war“. Da zog sie die Notbremse und sagte „Leute, ich brauche jetzt mal übergangsweise Zeit für meine Mini-Familie bis meine Tochter im Internat ist.“ Das Anliegen ging durch. „Wir halten dich in Ehre und Würden“, hatten die Obersten gesagt: Seitdem schaut sie nicht mehr „täglich, wieviel Tonnen wir heute verkauft haben“. Sondern denkt über „zukunftsorientierte Projekte“ nach – „was macht man dagegen, daß gerade die jungen 18 bis 25jährigen nicht mehr soviel Kaffee trinken?“.
Ein Mann und eine Frau stehen zusammen am Tisch mit einer Kaffetasse in der Hand. Das Plakat hängt in Wijns Büro – nicht weit entfernt von einer goldenen Krone, die auf ihrer Schrankwand Platz nimmt. „Weibliche Führungskräfte“ hätte auch Kraft Jacobs Suchard längst als „Wettbewerbsvorteil“ erkannt, sagt Wijn – getreu der Ansicht aus den USA, erfolgreiche Produkte seien nicht nur durch die eine Hälfte der Menschheit zu vermarkten. „Wer nadelstreifig denkt, bekommt auch Nadelstreifen heraus“, sagt Wijn dazu – und dann moderat: „Heutzutage ist eine Vielfalt des Denkens gefragt.“
Und da fänden eben Männer und Frauen ihre Chance: Trainings, Seminare und mögliche Aufstiegschancen – all das bietet KJS seinen MitarbeiterInnen für den Weg nach oben an. Ohne Quote seien dann eben erstmal weniger Frauen oben. Aber wer sich „relaxed“ mit dem „nötigen Selbstvertrauen“ auf den Wege mache, komme schon irgendwo an. „Wenn ihr mal was für mich habt, würde ich gern ...“ Mit diesem Satz hat sie sich mehrmals eine neue gehobene Position verschafft. Und damit, daß sie andere Städte mag. Und den „Machoaspekt am Kaffeegeschäft, weil man da Milliarden bewegen kann“. Da ist es manchmal wohl doch nicht so anders im „Männer-Ausland“. Katja Ubben
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