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Märkte & Knäste V: Abgeschirmt in Santa Fu ■ Von Joachim Frisch
Lore-Maria Peschel-Gutzeit klingt wie ein von einem einfallslosen Satiriker erfundener Name für eine Sozialdemokratin, die sich um die seelische Gesundheit gestrauchelter und von ihrem irdischen Karma vernachlässigter Erdlinge sorgt. Lore-Maria Peschel-Gutzeit aber ist nicht erfunden. Es gibt sie wirklich, sie ist wirklich Sozialdemokratin, die sich wirklich um die seelische Gesundheit gestrauchelter und von ihrem irdischen Karma vernachlässigter Erdlinge sorgt, und zwar als Justizsenatorin in Hamburg.
Als solche ist sie nämlich oberste Knastwärterin und sagt, wie um ihrem schwindelerregenden Namen Ehre zu machen, Sätze wie: „Einer in Wahlkampfzeiten, aber auch sonst immer schnell gefundenen, wohlfeilen und populistischen Beschimpfung der Justiz stelle ich mich entschieden entgegen.“ Und zwar mit „Differenzierungsmaßnahmen“ in Hamburgs prominentem Knast Fuhlsbüttel (Santa Fu), die den schimpfenden Bild-Zeitungslesern und -schreibern den Wind aus den Segeln nehmen. Lore-Maria Peschel-Gutzeit hat verfügt, daß jeder Bösewicht, den ein Gestrauchelter vor der Anstaltsleitung bezichtigt, mit Drogen zu handeln, im ehemaligen Hochsicherheitstrakt von Santa Fu von den Gestrauchelten abgeschirmt wird, weshalb dieser Teil von Santa Fu den Namen „Abschirmstation“ trägt, so wahr die verantwortliche Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit heißt.
Beweise braucht Frau Lore-Maria Peschel-Gutzeit nicht, denn ein Gestrauchelter sagt allemal eher die Wahrheit als ein Bösewicht.
Und weil der Bösewicht mit seinen Drogen die seelische Gesundheit der Gestrauchelten, die der Frau Lore-Maria Peschel-Gutzeit so sehr am Herzen liegt, gefährdet, sollen sich die Bösewichter gar nicht erst mit faulen Tricks herausreden dürfen, weshalb sie gar nicht erst nach ihrer Version gefragt werden. Schließlich „müssen gefährdete Gefangene vor gefährlichen geschützt werden“ (Lore-Maria Peschel-Gutzeit).
Aus Fürsorge wollten ihre treuen Diener sogar die gefährlichen Gefangenen vor dem katholischen Seelsorger schützen und diesen nicht in die Abschirmstation lassen, doch der katholische Spielverderber drohte gleich, es seinem protestantischen Kollegen Fliege gleichzutun und die Sache im Fernsehen zu verbreiten. So gab denn die Frau Lore-Maria Peschel-Gutzeit nach, und der Priester durfte für die seelische Gesundheit der Bösewichter sorgen, die, wenn es nach Lore-Maria Peschel-Gutzeit ginge, nur den Gestrauchelten zustünde.
Einige Gestrauchelte verbündeten sich dann mit einigen Bösewichtern und schrieben die ganze Geschichte in die Knastzeitung blickpunkt hinein, was aber außer anderen Bösewichtern und Gestrauchelten niemanden so recht interessieren wollte.
Angesichts all diesen Unfugs und der Weltherrschaft der verschworenen Clique Schröder, Blair und Clinton fällt es schwerer denn je, das Gute im Menschen auch nur für möglich zu halten, geschweige denn, daran zu glauben. Dies werde ich erst wieder tun, wenn Lore-Maria Peschel-Gutzeit wegen notorischer Keiferei und Quacksalberei in der Abschirmstation des Frauengefängnisses Lübeck, trocken Brot in lauwarm Wasser tunkend, zur Besinnung kommt.
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