: Alles im grünen Bereich
Supermärkte entdecken zunehmend Bio-Produkte. Naturkostläden antworten mit erweitertem Serviceangebot ■ Von Karen Schulz und Kristina Maroldt
Bio-Kost boomt, das macht spätestens ein Rundgang durch die Supermärkte deutlich: Viele Ketten bestücken mittlerweile mit hauseigenen Bio-Marken ganze Regale – die Unternehmensgruppe Rewe (Minimal, HL, Thoom) zum Beispiel mit „Füllhorn“-Produkten, bei Tengelmann (Kaiser's, Magnet) sorgt „Naturkind“ für den ökologisch korrekten Einkauf. Was bedeutet diese Entwicklung aber für die Bioläden, die als Einzelhandelsbetriebe nur schwerlich in der Lage sind, mit den günstigen Angeboten der Supermärkte mitzuhalten? Helmut Thomas, Inhaber der Eimsbütteler „Kornmühle“, ist pessimistisch: „Aus ökonomischen Gründen sollte ich sofort aufhören.“
So schwarz sehen die Bundesverbände Naturkost Naturwaren (BNN) die Lage der Bioläden nicht. Sie vermelden neun Prozent Wachstum im vergangenen Jahr für den Naturkostfachhandel – eine Bilanz, die deutlich über den Gesamtergebnissen der Lebensmittelbranche liegt. Viele Bioläden würden zudem ihre Verkaufsflächen durch Um-, Anbau oder Umzug erweitern, um die Produktpalette auszudehnen – und um mit dem Supermarktangebot mithalten zu können. Daher bieten immer mehr Läden mittlerweile auch Tiefkühlkost, ein größeres Angebot an Fleisch und Wurst sowie frisches Brot und Backwaren.
Seit Einführung der EG-Bio-Verordnung 1993 hat der Naturkost-Einzelhandel zudem seine Rolle als hauptsächlicher Garant für ökologisch erzeugte Waren verloren; die entsprechende Zertifizierung garantiert auch der Supermarkt-KundIn Sicherheit. Um die „Schwellenangst beim Betreten eines Bio-Ladens“, die Helmut Thomas bei seinen KundInnen beobachtet, zu entkräften und im Wettbewerb mithalten zu können, orientieren sich die Naturkostläden mittlerweile eher an der Nachfrage, beschreibt BNN-Sprecherin Maritha Odia die Erkenntnisse aus Umfragen der Bundesverbände.
Das betrifft nicht nur die Einführung etwa von Fertigkost, auch das Serviceangebot wird flexibel auf die Bedürfnisse der Kundschaft abgestimmt – von Gemüseabokisten über ausführliche Produkt-, Ernährungs- oder Kosmetikberatung, den Naturkost-Imbiß bis hin zu ökologischen Koch- oder Backkursen. „Senfkorn“ in Dulsberg zum Beispiel unterhält hamburgweit einen Lieferservice nach dem Motto „heute bestellt, heute geliefert“ – insbesondere für ältere und berufstätige Menschen ein wichtiges Argument, den Bioladen an der Ecke dem Supermarkt vorzuziehen.
Denn daß die Naturkostbranche durch die Entwicklung bzw. Positionierung von neuen Produkten – das klassische Müsli, grüner Tee, (trans)fair gehandelte Früchte, Gemüse und Genußmittel – auch die konventionelle Lebensmittelbranche beeinflußt hat, ist zwar, so Elisabeth Avakian-Reuter vom BNN-Einzelhandel, „ein großer Erfolg“. Andererseits aber bedeute es auch „eine große Herausforderung, sich als Naturkostbranche durch Beratung, Qualität und Service als Fachhandel zu behaupten“.
Helmut Thomas sieht die Selbstverständlichkeit, mit der die KonsumentInnen inzwischen Öko-Produkte auch im Supermarkt nachfragen, weniger euphorisch. „Ich werde mir wahrscheinlich bald einen anderen Job suchen“, gibt der studierte Volkswirt zu Protokoll und prognostiziert düster: Die Großen „drängen die Kleinen in die Ecke“.
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