Lafontaine erteilt der PDS die Absolution

■ SPD-Parteichef Lafontaine bekennt sich zur Zusammenarbeit mit SED-Nachfolgern

Bonn (rtr/dpa) – Die SPD-Führung hat sich offen zu einer Zusammenarbeit mit der PDS bekannt und damit die innerparteiliche Diskussion angeheizt. Der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine stellte sich gestern hinter Bundesgeschäftsführer Ottmar Schreiner, der die Aufhebung der „Dresdner Erklärung“ über eine Nichtzusammenarbeit von SPD und PDS gefordert hatte.

Dieser Beschluß von 1994 sei „durch die Wirklichkeit längst überholt“ sagte Lafontaine im ZDF und verwies unter anderem auf die SPD/PDS-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern. Wer sage, im Osten gebe es keine Zusammenarbeit mit der PDS, mache sich lächerlich. CDU und FDP verhielten sich hier unehrlich. Beide Parteien würden im Osten mit der PDS „intensiv schmusen“. Lafontaine bezeichnete es als vernünftig, mit der PDS zusammenzuarbeiten. Dadurch müsse sich diese Partei von ihrer Märtyrerrolle verabschieden. Statt aus der Opposition heraus zu behaupten, daß sie alles besser könne, müsse die PDS bei einer Regierungsbeteiligung Verantwortung übernehmen. Dann zeige sich, daß auch diese Partei „nur mit Wasser koche“. Die Dresdner Erklärung, die eine Kooperation mit der PDS formell ausschließt, stammt von ostdeutschen SPD-Spitzen und Lafontaines Amtsvorgänger Rudolf Scharping. Scharfe Kritik kam von der Union. CDU-Chef Wolfgang Schäuble warf der SPD vor, zusammen mit der SED-Nachfolgepartei eine „linke Republik“ anzustreben. Aber auch aus der SPD kam Widerspruch. Die sächsische SPD erteilte bei ihrem Landesparteitag am Wochenende in Görlitz einer Zusammenarbeit mit der PDS eine klare Absage. Der erst im Januar gegründete PDS-kritische SPD- Arbeitskreis „Neue Mitte“ erklärte, ohne ausführliche Diskussion über die bundespolitischen Aspekte dürfe es keine neue SPD- Linie im Verhältnis zur PDS geben. Glaubwürdigkeit und Mehrheitsfähigkeit der SPD stünden auf dem Spiel, warnte der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel gestern am Rande eines Treffens des Arbeitskreises „Neue Mitte“ in Magdeburg. Nach einem Bericht des Spiegel befürchten ostdeutsche SPD-Abgeordnete einen wachsenden bundespolitischen Einfluß der PDS. Nach dem Verlust der Bundesratmehrheit durch die Hessen-Wahl komme dem SPD/PDS-regierten Mecklenburg- Vorpommern eine ähnliche Schlüsselrolle zu wie dem SPD/ FDP-geführten Rheinland-Pfalz. Wenn sich die Koalitionspartner im Nordosten nicht einigen, enthält sich das Land im Bundesrat. In Rheinland-Pfalz entscheidet dagegen das Los.

Laut Spiegel haben bereits mehrere vertrauliche Treffen zwischen Lafontaine und dem Vorsitzenden der PDS-Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, stattgefunden, zuletzt kurz vor dem Jahreswechsel. In einem Papier der SPD-Fraktionsspitze zum „Stimmenverhältnis im Bundesrat“ werde die PDS auch nicht mehr der Opposition zugerechnet. Mecklenburg-Vorpommern, wo im November 1998 die erste SPD-PDS- Koalition auf Landesebene gebildet wurde, finde sich in der Rubrik „SPD-Koalitionen ohne Oppositionsparteien“ neben den rot-grün geführten Ländern. Schreiner hatte in einem Interview der Sächsischen Zeitung betont, die politische Wirklichkeit entspreche nicht mehr der Beschlußlage von 1994. Die PDS vertrete in der nicht unwesentlichen Frage der sozialen Gerechtigkeit SPD-nahe Auffassungen.

PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch begrüßte die Debatte in der SPD über den Umgang mit den Linkssozialisten. Die PDS sei in den neuen Ländern zur Koalition mit den Sozialdemokraten bereit. Im Bund wolle sie bis zur nächsten Wahl 2002 koalitionsfähig sein.