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■ AnalyseLiebe Melina!

Du wohnst in Berlin-Buckow, bist acht Monate alt und die Tochter von Elmar Liebner. Dein Papa ist Oberleutnant bei der Bundeswehr und momentan in Mazedonien stationiert. Das ist das Nachbarland des Kosovo. Dort herrscht gerade Krieg. Deshalb soll Dein Papa mit seinem Panzer demnächst in den Kosovo einrücken. Warum er in den Krieg zieht, weiß er nicht so recht. Aber erst einmal hat er, wie die Berliner Boulevardzeitung B.Z. stolz berichtet, seinen Panzer umgetauft und Deinen Namen mit weißer Farbe vorn draufgepinselt. Jetzt heißt der „Luchs“-Spähpanzer „Melina".

Findest Du, Melina, das eigentlich richtig? Wenn aus „Melinas“ 20 Millimeter-Maschinen-Kanone in Deinem Namen gefeuert wird? Ist Dein Papa noch ganz dicht? Oder glaubt er, die bösen Serben und Albaner würden schon nicht auf ihn beziehungsweise seinen Panzer respektive auf Dich schießen, wenn Dein Name draufsteht? Weil Du, Melina, mit der Kraft Deiner achtmonatigen Unschuld Deinen Papa entschuldest, wenn er mit seinem Panzer durch fremde Länder zieht? Das würden in der Bundeswehr alle so machen, wird Dein Papa Dir sicherlich sagen. Und tatsächlich heißt der Ärztepanzer, in dem er, falls er was abbekommt, zusammengeflickt werden soll, „Big Mama“. Nach einer Mama, an deren Busen man Schutz suchen kann. Wäre das nicht viel besser, wenn Dein Papa, statt Panzer zu fahren, am Busen Deiner Mama liegen würde? Der deutsche Panzervormarsch in den Kosovo sei ein „robuster Einsatz“, heißt es im Militärjargon, und da müsse man Platz für Gefühl lassen, das die Soldaten von ihren Frauen und Kindern bezögen, werden Dir die Generäle eines Tages erklären.

Merkst Du, Melina, wie es bei der Bundeswehr läuft: harte Männer, weiche Birnen. Liebe Melina, red doch mal, sobald Du es kannst, mit Deinem Papa, daß er den Panzer vielleicht noch mal umtauft und nach seinem Chef „Rudolf“ nennt. Das lenkt jede Kugel um. Wir wollen ja schließlich nicht, daß Du als Halbwaise aufwächst. Michael Ringel

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