: Keine Gnade mit Gnadenausschuß
Ausländerbehörde mißachtet Bürgerschaft: Abschiebung gegen Votum des Petitionsausschusses versucht. Amtsleiter wird vorgeladen ■ Von Elke Spanner
Ob die Bürgerschaft gegenüber ausreisepflichtigen AusländerInnen Gnade walten lassen darf, will Ausländerbehördenleiter Ralph Bornhöft (SPD) von seinem Ermessen abhängig machen. Er entschied Ende voriger Woche, zwei armenische Familien abzuschieben, obwohl diese eine Petition eingereicht hatten – auf deren Entscheidung die Ausländerbehörde eigentlich zu warten hat.
Selbst als die SprecherInnen des Petitionsausschusses der Bürgerschaft, Jürgen Klimke (CDU), Mahmut Erdem (GAL) und Rolf Polle (SPD), gemeinsam intervenierten, kannte Bornhöft kein Erbarmen. Daß die Familien dennoch nicht abgeschoben wurden, hätten sie allein einer entsprechenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu verdanken, sagte Bornhöft gestern. Er wird sich in einer der nächsten Sitzungen des Petitionsausschusses dazu erklären müssen.
Daran besteht offenbar dringend Bedarf. Erdem, Klimke und Polle waren nämlich zunächst zwar erzürnt über die Mißachtung, die Bornhöft ihnen entgegengebracht hatte. Nachdem sie ein Veto gegen die Abschiebungen eingelegt hatten, glaubten sie jedoch, damit die Kompetenzen wieder zurechtgerückt zu haben – nicht ahnend, daß sich Bornhöft allein an die Verwaltungsgerichtsentscheidung, nicht aber an ihr Votum gebunden fühlte. Als er das gestern erfuhr, sagte der Ausschußvorsitzende Klimke: „Das akzeptiere ich nicht“.
Daß Petitionen eigentlich eine sogenannte „aufschiebende Wirkung“ haben, sieht eine Vereinbarung vor, die der Senat mit der Bürgerschaft 1986 traf. Zeitgleich teilte die Regierung dem Parlament allerdings mit, daß sie sich an die Vereinbarung nicht gebunden fühle, sollte ein Petent mit seinem Gnadengesuch den Petitionsausschuß „mißbrauchen“.
Und davon war Bornhöft als Amtsleiter im Falle der armenischen Familien überzeugt. Die hatten mit ärztlichen Gutachten geltend gemacht, aus gesundheitlichen Gründen nicht ausreisen zu können. Frau Agababjan hat eine Risikoschwangerschaft, es droht eine Frühgeburt. Der Vater der Familie Sardarian befindet sich wegen epilepsieähnlicher Anfälle im Krankenhaus. Doch sie hätten den Gnadenausschuß erst in letzter Sekunde angerufen, obwohl sie schon lange von ihrer Ausreisepflicht wußten, stellte Bornhöft fest. Dadurch hätten sie das Gremium mißbraucht.
„Wann wir mißbraucht werden, beurteilen wir selbst“, empört sich der Sprecher der GAL im Petitionsausschuß, Mahmut Erdem. „Bornhöft hat die parlamentarischen Rechte verletzt.“ Auch CDU-Ausschußvorsitzender Jürgen Klimke verspürt einen „fahlen Nachgeschmack“: „Der Senat hat sich hier nicht an Absprachen gehalten.“
Daß Senat und Innenbehörde, der die Ausländerbehörde unterstellt ist, den Petitionsausschuß nur nach Gutdünken respektieren, hatte die Parlamentarier schon des öfteren erzürnt. Nur rund die Hälfte aller Voten würde die Regierung berücksichtigen, kritisiert Klimke. Dadurch fühle er sich „veralbert“.
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