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Durchbrüche sind derzeit nicht gefragt

Beim Peking-Besuch von US-Außenministerin Albright treten Differenzen zwischen beiden Staaten deutlich zutage. Damit scheint sich Clinton dem Kongreß zu beugen. Der setzt auf Konfrontation mit China  ■ Aus Peking Georg Blume

Am Morgen sprach die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright noch vom „Geist der Partnerschaft“, der die Führer der USA und Chinas verbinde. Schon am Abend hatte ihr Sprecher James Rubin allen Sinn fürs diplomatische Schönreden verloren: „Die Stimmung könnte besser sein (There is not a great mood).“

Eher flapsig als verärgert resümierte der US-Außenamtssprecher gestern in Peking vier Stunden Sicherheitsgespräche, Menschenrechtsdialog und Handelsstreit zwischen Albright, dem chinesischen Premierminister Zhu Rongji und Außenminister Tang Jiaxuan. Die Amerikaner waren offensichtlich nicht weitergekommen und trotzdem nicht unzufrieden: „Unsere Gespräche zielten nicht auf Durchbrüche“, verkündete Rubin, als seien Durchbrüche mit dem China, das er an diesem Tag kennengelernt hatte, ohnehin nicht wünschenswert.

Das plötzliche Tief der chinesisch-amerikanischen Beziehung war auf der geopolitischen Wetterkarte dennoch nicht eingeplant. Eigentlich sollte Albrights Peking- Besuch nur ein Routinetreffen in Vorbereitung auf die Amerika- Reise Zhu Rongjis im April sein, die nur die zuletzt so erfolgreiche Gipfeldiplomatie zwischen den Staatschefs fortsetzen sollte.

Doch dann kam alles anders. Noch im Zuge des bereits verlorenen Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Clinton hatte sich der US-Kongreß China als nächsten Gegner auserkoren. In den Tagen vor dem Albright-Besuch hagelte es nun Vorwürfe gegen Peking: Ein vom Kongreß in Auftrag gegebener Jahresbericht über die Menschenrechtslage in China warf der Volksrepublik vor, die von ihr im Herbst unterzeichnete UN-Bürgerrechtskonvention zu verletzen. Zuvor hatte Clinton auf Druck konservativer Republikaner den Verkauf eines US-Satelliten für Mobiltelefone im Wert von 450 Millionen US-Dollar an ein chinesisches Konsortium mit angeblichen Verbindungen zur Volksarmee gestoppt.

Nicht zuletzt aber hatte der US- Senat mit 99 zu null Stimmen eine Verurteilung Chinas vor der UN- Menschenrechtskommission verlangt. Das alles ließ sich noch zu einem amerikanischen Handelsdefizit mit China von wöchentlich über einer Milliarde Dollar addieren. „Vielleicht nicht so sehr in Peking, aber in Washington hat sich die Stimmung geändert“, präzisierte Rubin die neue diplomatische Atmosphäre. Da konnte man das indirekte Eingeständnis heraushören, daß nicht mehr der US-Präsident, sondern die „Stimmung“ im Kongreß ausschlaggebend für die amerikanische China-Politik ist.

Im Zentrum des verhärteten Großmachtdialogs steht das Militär. Ein Pentagon-Bericht hat herausgefunden, daß China im Jahr 2005 über die Fähigkeiten verfügen wird, Taiwan zu erobern – wenn die USA ihre Freunde nicht vorher mit einem neuen Raketenabwehrsystem bedienen. Schon drängen Kongreßmitglieder auf den Verkauf des teuren Raketenschirms an Taiwan, das Peking offiziell nicht anerkennt.

Es ist das alte Washingtoner Spiel: Wer China zum Gegner haben will, muß nur auf Taiwan setzen. Prompt erklärte der chinesischen Außenminister Tang gestern die Taiwan-Frage abermals zum „wichtigsten und sensibelsten Gegenstand“ in den Beziehungen beider Länder. Dabei hatte man gehofft, daß Peking und Washington sich über diese Beschwörungrituale hinweggesetzt hätten, nachdem sich Clinton während seines China-Besuchs im letzten Jahr gegen die Unabhängigkeit der Insel ausgesprochen hatte.

Tang machte gestern „eine Handvoll antichinesischer Elemente in den USA“ für die Verstimmung in den Vereinigten Staaten verantwortlich. Sprecher Rubin widersprach: „Schauen Sie auf das einhellige Abstimmungsverhalten im Senat“ – als hätte sich je eine Washingtoner Administration nach den außenpolitischen Empfehlungen von Parlamentariern gerichtet. Doch mit Clinton ist es im Fall China offenbar so weit gekommen: Nicht einmal einen China-Botschafter bekommt der Präsident: Kürzlich sagten zwei ehemalige Kongreßmitglieder den ab Mai vakanten Job dankend ab.

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