piwik no script img

Stand by your men!

■ Helden von gestern: Mit Dave Schramm und Jeb Nichols kommen die Begründer von Alternative Country und Dub-Folk ins Knust

Zugegeben, es ist schon ein klein wenig her. 1991 war Softcore das neue Ding und brachte nicht nur hierzulande die Erkenntnis mit, daß die amerikanische Musikgeschichte nicht erst mit Hüsker Dü oder Black Flag begann. Neben Heyday aus San Francisco horchte vor allem ein kleines Provinz-Label auf neo-traditionelle Töne. OKra galt damals gewissermaßen als das Ei von Columbus/Ohio. Mit einer Handvoll Veröffentlichungen versuchte Labelgründer Dan Dow das schier Unmögliche: Country von seinem reaktionären Ruf zu befreien und die zeitgenössische Relevanz dieses Genres wiederherzustellen. Lokale Größen wie Hank McCoy oder Ricky Barnes bereiteten damals den Weg für Bands wie die Schramms oder Fellow Travellers, die vor allem in Europa euphorisch rezipiert wurden.

Doch das Ende des guten Liedes kam bald. Justament als Neo-Folk seine Hochzeit erlebte, machte Dow 1994 den Laden dicht. Seine Helden tourten ein letztes Mal als OKra Allstars durch Europa, danach verloren sich weitestgehend ihre musikalischen Spuren. Erfreulich, daß jetzt mit Dave Schramm und Jeb Nichols wenigstens zwei von damals wieder auftauchen.

Gerade um Schramm war es ziemlich ruhig geworden. Der Gitarrist aus Hoboken/New Jersey schien ganz in seiner bürgerlichen Existenz aufzugehen, die ihn als Werkkundelehrer respektive Hausmeister beschäftigt. Dabei war es gerade das Schramms-Debüt Walk To Delphi, das vor neun Jahren den Terminus „Alternative Country“ begründete. Eine Schublade, in die sich kurze Zeit später selbst schnieke Nashville-Cowboys verirren sollten. Zum Fashion victim wurde Schramm deswegen noch lange nicht. Der Mitgründer von Yo La Tengo trägt statt Western-Boots auch weiterhin Turnschuhe, und wären Attribute wie „ehrlich“ und „erdig“ für Rockmusik im allgemeinen und Folkrock im speziellen nicht schon längst verboten, man müßte sie für den 41jährigen neu erfinden.

Manche halten Schramm deswegen für einen Langweiler, dabei ist der Mann ist einfach nur grundsolide. Ein Puritaner, dessen Balladen klassisch anmutende Lyrik mit melancholischen Harmonien zu verbinden wissen. Emily Dickinson dient Schramm dabei immer als Vorbild – keine Platte, die der großen amerikanischen Dichterin des 19. Jahrhunderts nicht irgendwie Referenz erweist. So auch Hammer & Nails, sein zweites Solo-Album, mit dem Schramm gerade auf dem schwäbischen Label Blue Rose ein kleines Comeback feiert.

Leider hatte Jeb Nichols bei der Firmenwahl weniger Glück. Nachdem es den Fellow Traveller und Begründer des Dub-Folks aus dem englischen Exil wieder in die Heimat zog, fiel sein in den USA erfolgreiches Solo-Debüt in Deutschland der Willkür der Plattenfirma zum Opfer. Es erschien einfach nicht. So darf man nicht nur gespannt sein, wie der Tony-Joe-White-Fan seine Vision von Song und Sound ohne Band umzusetzen weiß, sondern auch, wieviel Publikum sich noch an unsere Helden von gestern erinnern wird. Dabei gilt diesmal selbst für den ehemaligen Labelchef die Devise: „Stand by your men!“ Während seine Jungs spielen, wird sich Dan Dow ums Merchandising kümmern.

Michael Hess

Di, 9. März, 21 Uhr, Knust

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen