: Ex-Kommandant des KZ Jasenovac zeigt Schwäche
■ Ein Klinikaufenthalt von Dinko Sakić läßt den für heute geplanten Beginn des Prozesses in Zagreb platzen. Jetzt muß eine Ärztekommission prüfen, ob der 80jährige verhandlungsfähig ist
Sarajevo (taz) – Schon lange wird er erwartet, der Prozeß gegen Dinko Sakić, den ehemaligen Komandanten des Konzentrationslagers Jasenovac in den Jahren 1942-44. Doch jetzt dürfte sich der Prozeß, dessen Beginn für heute angekündigt war, wohl verschieben. Grund dafür ist der Gesundheitszustand des 80jährigen Hauptangeklagten. Sakić, der sich bis zu seiner Verhaftung im Frühjahr vergangenen Jahres in Argentinien versteckt hatte, war in der Nacht zu Mittwoch wegen eines Schwächeanfalls für einige Stunden in ein Zagreber Krankenhaus eingeliefert worden. Jetzt soll eine Ärztekommission entscheiden, ob Sakić vor Gericht erscheinen kann. Erst am Montag hatte Sakić in Karlovac an der Beerdigung seines Bruders Josip teilgenommen, der vor wenigen Tagen bei einem Besuch in Kroatien gestorben war.
Schon einen Tag vor der ursprünglich geplanten Prozeßeröffnung hatten sich 73 Journalisten aus aller Welt und aus Kroatien akkreditiert. Sie müssen jetzt wohl unverrichteter Dinge abreisen. Genauso wie die Zeugen, die schon in Zagreb eingetroffen waren. Die Ankunft einiger Zeugen aus Serbien wurde für die nächsten Tage erwartet. Im Konzentrationslager Jasenovac waren während des II. Weltkrieges Schätzungen zufolge zwischen 80.000 und 500.000 Menschen ermordet worden, darunter außer Juden, Roma und kroatischen Antifaschisten größtenteils Serben.
Der Fall Sakić hat für Kroatien eine große innenpolitische Bedeutung. Präsident Franjo Tudjman, der während des II. Weltkrieges General von Partisanenverbänden war, sich aber Ende der achtziger Jahre mit ehemaligen Ustascha- Mitgliedern des damaligen faschistischen Regimes unter dem Führer Ante Pavelić getroffen hatte, wurde von der kroatischen Opposition und jüdischen Organisationen wegen seiner Verbindungen zum Exil kritisiert. Der selbst schwerkranke Tudjman – er soll einen Gehirntumor haben – hat in letzter Zeit mehrmals betont, Kroatien habe mit der Ustascha- Diktatur gebrochen.
Wie schwer sich die Führung um Tudjman mit einer radikalen Kritik an der Vergangenheit tut, zeigt nach Meinung von Kritikern jedoch nicht nur der verwahrloste Zustand des Denkmals Jasenovac. Auf wesentlich stärkere Kritik stieß seinerzeit die Einführung des „Kuna“, der auch während des Pavelić-Regimes Zahlungsmittel war. Die Erklärungen Tudjmans vermochten dieses Image nicht zu verbessern. Kroatien ist zudem wegen der Weigerung, serbischen Flüchtlingen aus den 1991-95 von Serben besetzten Gebieten nach der Militäroffensive der kroatischen Armee 1995 wieder die Rückkehr nach Kroatien zu ermöglichen, in das Schußfeld internationaler Organisationen geraten. Immer wieder wurde die Pressepolitik Tudjmans kritisiert, zuletzt von einer Delegation der OSZE. Der Wunsch Tudjmans, Kroatien näher an Europa zu rücken, wurde deshalb von Brüssel blockiert.
Beim Fall Sakić will die Regierung zeigen, daß sie die Vergangenheitsbewältigung ernst nimmt. Journalisten aus aller Welt wurden offiziell zu dem Prozeß eingeladen. Abzusehen ist schon jetzt, daß der Fall Sakić eine tiefgreifende Debatte in Kroatien auslösen wird. Von ihrem Ausgang wird mitabhängen, wie die Entwicklung des seit acht Jahren unabhängigen Landes zu einer Demokratie von den europäischen Nachbarn bewertet werden wird. Erich Rathfelder
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