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Knicken, falten, gestalten

Der Designer Andreas Beckmann liebt es, Dingen eine ungewöhnliche Aura zu verleihen: Aus seinem T-Pac-Schrank strecken einem T-Shirts die Zunge raus  ■ Von Kirsten Niemann

Es gibt viele Arten, seine T-Shirts in den Schrank zu packen: Man kann sie zum Beispiel querformatig falten, mit den Ärmeln zuerst, um sie anschließend mittig zu knicken. Man kann sie zunächst längs umschlagen, um sie dann in der Mitte zu knicken und am Ende die Ärmel wegzuklappen.

Andreas Bergmann, Student im Fachbereich Industriedesign an der Hochschule der Künste (HDK) in Berlin, faltet seine Hemdchen ganz anders: Nach einer komplizierten Faltanleitung werden sie zu einem kleinen Dreieck. Ein aufwendiges und eher ungewöhnliches Verfahren, doch es hat seinen guten Grund. Denn Andreas Bergmanns T-Shirts lagern nicht in einem profanen, dunklen Kleiderschrank. Er stapelt seine Shirts in einem Behältnis, das Verpackung und Lager zugleich ist: in T-Pac und T-Box. Ein von ihm und seinem Partner Eitan Sharif eigens für das T-Shirt entwickeltes Möbelstück. Laut Konzept soll man das bereits im Geschäft als Dreieck gefaltete T-Shirt samt seiner Plastikschublade kaufen können. Zu Hause wird die Schublade einfach in das offene Gerüst der T-Box hineingeschoben.

Einen eigenen Griff hat die Lade nicht: Wie eine rausgestreckte Zunge lugt der stumpfe Winkel des T-Shirt-Dreiecks aus einer Öffnung, so daß der Stoffzipfel selbst zum Schubladengriff wird.

„Untereinander gereiht ergeben die farbigen Spitzen ein eigenständiges Bild, das Struktur zeigt und Zusammengehörigkeit vermittelt“, schwärmt der Designer. Die T-Box ist dabei weder Schrank noch Kommode. Mehr noch: Ihre Proportionen aus geringer Tiefe und Höhe entsprechen exakt dem Maßverhältnis, das man aus der Hochhausarchitektur kennt.

Die ursprüngliche Idee war einfach: Bergmann wollte eine Verbindung schaffen zwischen dem Geschäft, wo das T-Shirt gekauft wird, und dem eigenen Heim, wo es aufbewahrt wird. Entstanden ist das Konzept der „Shop-Connection“ im Rahmen einer Seminararbeit zum Thema „Sammeln, speichern und aufbewahren“.

Form und Inhalt, Design- und Vertriebskonzept stehen in einer spielerischen Wechselwirkung zueinander. Während sich der Boxrahmen nur langsam füllt – 17 Shirts haben insgesamt Platz –, wird der T-Shirt-Kunde zum weiteren Kauf angeregt. So richtig schön ist das froschgrüne Kunststoffgestell mit seinen weißen, leicht opalen Polystrol-Schubfächern leider erst in einem annähernd gefüllten Zustand.

Bergmanns Auseinandersetzung mit dem Thema Möbeldesign geht über den ästhetischen Aspekt hinaus. Ihn reizt die Komplexität, mit der sich gewöhnlichen Dingen – wie beispielsweise einem T-Shirt – durch gestalterische Ideen eine eigene Aura verleihen lassen.

Das jüngste Projekt des 29jährigen Studenten ist in der Ausstellung „Identity 2“ in der HDK-nahen Galerie Designtransfer zu sehen. In „Identity 2“ geht es weniger darum, einzelne Produkte neu zu entwerfen, als ein bündiges Konzept von Unternehmensidentität durch Design zu entwickeln: Corporate design für das neue Erscheinungsbild eines Unternehmens.

Bergmann befaßt sich hier mit der Gestaltung eines Messestands für Modular, einem Laden für Architektur- und Modellbaumaterialien in Kreuzberg. Die Präsentation des Ladens – ein Wallfahrtsort und Inspirationsquell für alle Designstudenten und Hobbybastler mit künstlerischen Ambitionen – wird über die Produktpalette von Modulor transportiert. Über das Bastelmaterial selbst.

„Materialisieren einer Idee“ nennt Bergmann seine Vorgehensweise: Plastik- und Plexiglasstäbchen in Orange, Rot oder Grün, Pappen in allen Bonbonfarben. Nippel, Knöpfe, Aluminiumbögen und tausend andere Rohmaterialien werden an den Stellwänden montiert, die in der Galerie installiert sind. Das Produkt als haptisch reizvolles Element. Der Besucher unterliegt dabei dem dringenden Zwang, alle Materialien befingern zu müssen. Selbst mäßig kreative Bastler kommen angesichts der bunten Rohstoffvielfalt zu Inspirationen und Ideen.

Bevor Andreas Bergmann sich daranmacht, einem Möbelstück oder einem anderem Gegenstand ein neues Outfit zu verpassen, beschäftigt er sich mit Bedeutung und Nutzen des Möbels als solchem.

So, wie er sich mit spielerischen Beschäftigungen, wie dem Verbiegen von Kleiderbügeln, seinem Produkt T-Box näherte, setzt er sich für seinen „10/tel Sitz“ mit dem Wesen des Sitzens auseinander: zehn Hocker mit segmentförmiger Sitzfläche ergeben aneinandergestellt einen Kreis. Stellte man die kreisförmige Sitzgruppe beispielsweise in das Wartezimmer eines Arztes, könnte sie eine Art Gemeinschaftsgefühl schaffen, vielleicht sogar zur Kommunikation anstiften. Addiert man die Hocker zu einer Art Schlangenkurve, die von beiden Seiten aus besetzt werden kann, wären sie ideal für kleine Sitzpausen im Museum. Ein Möbelkonzept – viele Anwendungsmöglichkeiten. Für den jungen Designer Bergmann stellt sich dabei die Frage: „Wie reagieren die Leute, die den Hocker nutzen, auf die jeweilige Sitzanordnung?“

Für Bergmann ist Design eine komplexere Angelegenheit, als Gestaltung aus einem Selbstzweck heraus. Hinzu kommt immer der Anspruch, neue Ideen umzusetzen und das Aussehen eines Möbels von seiner Aufgabe abzuleiten. „Ich denke immer, lediglich einen neuen Stuhl zu entwerfen, das könnte zuwenig sein, schließlich gibt es schon so viele schöne Stühle.“

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