piwik no script img

Zufallsgewitter

■ Petra Oelkers neuer Krimi „Neugier“

„Sie fühlte sich plötzlich unbehaglich. Nicht als ob sie beobachtet würde, sondern als sei sie ganz allein auf dieser stürmischen Felsnase, allein mit den Gespenstern der alten Steine.“

Das weht einen irgendwie britisch an. Und tatsächlich ist Petra Oelkers neuer Thriller Neugier voll von all dem, was das Krimi-Genre eben so typisch englisch anmuten läßt. Aber es wäre kein typischer Oelker-Krimi, bestünde nicht die ein oder andere Verbindung nach Hamburg. Oelker, die vielen durch ihre Historienthriller (ihr jüngster: Lorettas letzter Vorhang) bekannt ist, nimmt in ihrem neuesten Werk Abstand von der Rekonstruktion des Lebens und Treibens im Hamburg des 18. Jahrhunderts.

Die Hauptfigur in Neugier ist Leo Peheim, eine erfolgreiche Hamburger Journalistin. Ihr Zuständigkeitsbereich, die Sparte mit den Geschichten, die das Leben schreibt, führt sie zu einer Begebenheit, die zugleich den Aufhänger des Krimis bildet: Ein Gemälde, das vor über 30 Jahren gestohlen wurde, taucht plötzlich wieder bei seiner Besitzerin Lady Amada auf der Kanalinsel Jersey auf. Leo recherchiert vorort und kehrt mit einer glaubwürdigen Geschichte nach Deutschland zurück. Alles scheint geklärt, bis Leo in Hamburg auf ein Bild stößt, das dem just zur Lady Amada heimgekehrten Gemälde zum Verwechseln ähnlich sieht. Für Leo Anlaß genug, sich auf die Spuren eines Kunstfälscherrings zu begeben.

Bei allen Verwicklungen und Enthüllungen ist es jedoch immer wieder Meister Zufall, den Oelker großzügig als logischen Kitt verwendet, um Sprünge und Lücken im Text zu verputzen. So springt Leo in brenzligen Situationen bezeichnenderweise immer ein Retter zur Seite. Aber auch im spannungssteigernden Sinne spekuliert Oelker bereits zu Beginn auf den entscheidenden Wink des Schicksals: Da, wo der Fortlauf der Handlung gefährdet ist, zieht aus dem Nichts ein Gewitter auf.

Zwar ist die Kombination aus modernem Großstadtleben und altenglischem Landhausstil reizvoll – „Gilbert Appleby. So kann keiner heißen. Nur bei Jane Austen“ – und doch fehlt der letzte Prickel. Zu wenig Geheimnisse lüften sich am Ende, zuviel läuft einfach zu glatt. Psychologische Aspekte kommen entschieden zu kurz. Ein Krimi ohne Ecken und Kanten, für den man sich keine langen Nächte am Kaminfeuer wünschen muß. Liv Heidbüchel

„Neugier“ von Petra Oelker, Rowohlt: Hamburg, 1999, 208 Seiten, 12,90 Mark

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen