Die Hiphop-Polizei, der 1. Mai und die Titanic

■ Warum es zwei Jahre gedauert hat, bis das ZDF uns endlich seine „Musterknaben“ zeigt

Mustergültig geht bei den „Musterknaben“ so gut wie gar nichts. Murphys Gesetz eben: Was passieren kann, passiert. Zur falschen Zeit am richtigen Ort oder am falschen (oder alles umgekehrt?), am Ende dann knapp an der Pleite vorbei und doch irgendwie angeschmiert. So ist das im Film mit den zwei kleinen, nach Imbiß-Bratfett und Fitneß-Schweiß müffelnden Kölner Vorortbullen „Docker“ (Jürgen Tarrach) und „Dretzke“ (Oliver Korittke). Und genau so ist das auch mit dem Film.

Da dachten Ralf Huettner und Dominic Raake (Buch & Regie), Dieter Ulrich Alsemann und Daniel Philippen (Produktion & Dramaturgie), sie hätten nach dem eher folgenlosen 95er Vorabend- „Kult!“-Aufruf „Um die 30“ jetzt mal richtig kultig-komischen bad- taste-Zeitgeist zu fassen gekriegt, den sie zusammen mit den ZDF- Unterhaltern auch noch vorlaut rausposaunten – damals im Frühjahr 1997. Ja, das ZDF hatte – weiß Gott – nicht gespart an Aufwand, unkonventioneller Bildgestaltung und 70er-Retro-Muff und schon damals rasante (von der kölschen Rap-Combo „Die coolen Säue“ mit musterknabenhaftem „Verbrechen lohnt sich nicht“-Singsangpalaver vertonte) HipHop- Polizei-Trailer ausgestrahlt. Und obwohl man allein in den ersten Teil 2,4 Millionen Mark investiert hatte und inzwischen sogar schon die „Musterknaben“-Fortsetzung mit Sophie von Kessel (als gerissene Porno-Paparazza) und Phil Collins (in Gestalt des Trierer Gabelstaplerfahrers Mattias Pesie) auf ihre Erstausstrahlung wartet, wollte es zwei Jahre lang einfach nix werden mit dem dicken, aussichtslos verliebten Docker, dem dünnen, mundfaueln Dretzke und dem ZDF.

Und warum? Weil eben passiert, was passieren kann. Frühling am 1. Mai '97 zum Beispiel. Oder der Untergang der „Titanic“.

Zunächst nämlich hatten Sender und Macher in der sonnigen Großwetterlage für das lange Maifeiertags-Wochende „programm- strategische Gründe“ erkannt, um die begehrte hiphop-junge, aber ausflugsfreudige „Musterknaben“-Kultgemeinde in spe doch lieber auf den Herbst zu vertrösten. Den Daheimgebliebenen verschaffte das ZDF statt dessen „Höhepunkte aus ,Lustige Musikanten‘“ – damit sie nicht nicht etwa bei „Manta – der Film (Sat.1), „James Bond“ (Pro7) oder Gérard Dépardieu (ARD) darben mußten.

Doch es passierte noch mehr: Der Herbst verstrich ganz ohne Musterknabens Kult-TV. Schließlich fand da ja das Münchner Filmfest statt, wo nur jungfräuliche Movies hindürfen. Und dort erntete die ZDF-Produktion prompt den „TV-Movie-Award“ der Film- und Fernsehverwerter, sprich: die Eintrittskarte fürs Kino. Aber ach: Statt einer Leinwand-Kult-Offensive verordnete der Senator-Filmverleih Geduld, weil doch im Spätjahr '97 die „Titanic“ in unseren Kinogewässern einlief. Da weicht eine Nußschale wie „Musterknaben“ wie in der Seefahrt besser aus – zumal das Dickschiff „Titanic“, wer hätte es gedacht, auch hierzulande auf 350 tränennassen Kinoleinwänden gleichzeitig ewig und drei Tage am Absaufen war.

Und als die Musterknaben dann ab dem 12. März '98 endlich in 70 Kinos eine Zeitlang den Gezeiten die Stirn bieten durften, da seien sie „in dem Strudel untergegangen“, weiß Produzent Aselmann: Gerade mal 100.000 interessierte Kinogänger machten den Kult- Test. Aber Guildo Horn hat ja auch mal klein angefangen. Ulla Küspert

„Die Musterknaben“ im ZDF: heute, 20.15 Uhr (der Auftaktfilm) und nächsten Montag, 20.15 Uhr (die Fortsetzung)