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Warten auf das Wort der UÇK

Im Kosovo trafen sich gestern die politische und die militärische Führung der albanischen Guerilla, um über den Friedensvorschlag von Rambouillet zu entscheiden  ■ Aus Priština Thomas Schmid

Der Schnee ist gerade geschmolzen, und wer nun Rrahman Rama sprechen will, muß sich mit einem Jeep durch den Schlamm zu seinem Haus durchkämpfen. Irgendwo oberhalb des Dörfchens Oslanje, dreißig Kilometer außerhalb von Priština, der Hauptstadt des Kosovo, sitzt der UCK-Kommandant und sieht fern. Euro- News: Joschka Fischer spricht auf dem Parteitag der Grünen, Monica Lewinsky schwört, nichts als die Wahrheit zu sagen, und schließlich taucht Bob Dole, der US-amerikanische Ex-Senator, auf dem Schirm auf, den die US-Außenministerin ins Kosovo schicken wollte, den Milošević aber nicht ins Land ließ, weil er kein Visum hatte. „Am Sonntag“, verkündet Dole und meint vorgestern, „wird die UÇK den Friedensvorschlag von Rambouillet unterzeichnen.“

Es ist Sonntag, und Rama meint gelassen: „Morgen werden wir sehen, und notfalls muß halt Dole allein unterzeichnen.“ Man sieht dem Kommandanten, der eine der sieben Zonen befehligt, in die die UÇK das Kosovo aufgeteilt hat, an, daß er über seinen Schatten springen muß, um dem Plan zuzustimmen, der die Entwaffnung der UÇK bedeutet, ohne dem Kosovo die Unabhängigkeit zu bringen.

Schon 1993 hat sich der heute 28jährige als einer der ersten dem Kern einer Guerillatruppe angeschlossen, von der damals viele annahmen, sie existiere gar nicht oder sei eine Gründung des serbischen Geheimdienstes. Doch spätestens vor einem Jahr wurde deutlich, daß die serbische Polizei fortan mit einem ernsthaften militärischen Gegner zu rechnen haben würde. Am Freitag vor einem Jahr wurden in Prekaz der UÇK- Führer Adem Jashari und 50 weitere Personen massakriert, darunter ein Großteil seiner Familie. Auch Rama war am vergangenen Freitag in Prekaz, um der Gedenkfeier zum Jahrestag des Massakers beizuwohnen. Nun sieht er sich in „Euro-News“ die Bilder aus Prekaz an. All die Jahre der Angst und Entbehrungen, das unbequeme Leben in den verschneiten Bergen, die toten Kameraden – ist all das nicht mehr wert als Autonomie unter serbischer Hoheit?

11 Mitglieder der 16köpfigen Delegation der Kosovo-Albaner in Rambouillet hatten sich für die Unterzeichnung des Plans ausgesprochen, aber die UÇK, in der Delegation selbst auch vertreten, beharrte darauf, erst ihre Mannen in den Bergen zu konsultieren. Der 29jährige Hashim Thaqi, der politische Führer der UÇK und Leiter der albanischen Delegation, sprach sich in Rambouillet gegen die Unterschrift aus. Auf dem gestrigen Gipfeltreffen der UÇK, zu dem die politische und die militärische Führung in den Bergen des Zentralkosovo zusammenkamen, nahm er aber offenbar nicht teil. Nach den Verhandlungen im französischen Schloß ist er nicht mehr ins Kosovo zurückgekehrt, weil die serbische Justiz gegen ihn einen Haftbefehl erlassen hat. Im Sommer 1998 hatte ihn ein jugoslawisches Gericht in Abwesenheit zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt. Thaqi war damals regionaler Kriegskommandant.

Noch beim Treffen in Prekaz hatte sich Suleimani Selimi, der oberste Kommandant der UÇK- Guerilla, gegen einen Plan ausgesprochen, der keine Unabhängigkeit vorsieht. Nun wird Druck von allen Seiten ausgeübt. Gestern trafen der US-Unterhändler Christopher Hill und der deutsche Außenminister Joschka Fischer in Priština ein. William Walker, der Chef der OSZE-Mission im Kosovo, rät den Albanern, noch vor dem 15. März, der geplanten Wiederaufnahme der Verhandlungen in Frankreich, zu unterschreiben. Wenn die Unterschrift geleistet sei, so sein offen vorgetragenes Argument, könne man die Serben um so besser unter Druck setzen.

Die fühlen sich jetzt schon unter Druck. Der serbische Präsident Milan Milutinović und der Leiter der serbischen Delegation in Rambouillet, Ratko Marković, beschwerten sich in einem gemeinsamen Brief an die Kontaktgruppe, die den Frieden vermitteln will, daß den Albanern ein anderes Abkommen zur Unterschrift vorgelegt werde als jenes, das zuletzt in Rambouillet präsentiert worden sei. Ob das stimmt, läßt sich als Außenstehender nicht beurteilen. Aber es kann sein, daß man, um die Stimme der Albaner zu erhalten, Änderungen vorgenommen oder in Aussicht gestellt hat.

Rramahn Rama, darauf angesprochen, meint nur: „In Aussicht stellen lassen wir uns nichts, mit Versprechungen ködert man uns nicht“, und schaut wieder ostentativ zum Fernseher, wo inzwischen der Wetterbericht kommt. Die Aussichten, so der Meteorologe, sind trüb.

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