: „Ich bin ganz optimistisch“
■ Bürgermeister Henning Scherf (SPD) erläutert exklusiv in der taz die auch für ihn schwer verständlichen strategischen Gedanken hinter seinem Schmusekurs mit der CDU
Mit seinem Schmusekurs gegenüber der CDU hat der Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD) mal wieder für politischen Wirbel gesorgt. Seine Äußerung, er würde nach der Bürgerschaftswahl am 6. Juni lieber weiter zusammen mit der CDU regieren als alleine mit der SPD, hat selbst einige seiner GenossInnen verärgert. Jetzt fehle nur noch ein gemeinsamer Aufruf von CDU und SPD zur Wahl der großen Koalition, kommentierte die bündnisgrüne Spitzenkandidatin Helga Trüpel Scherfs Aussage. In einem Exklusivinterview mit der taz nimmt Henning Scherf zum Thema Stellung.
taz: Herr Scherf, sind Sie noch Mitglied der SPD?
Henning Scherf: Wer, ich? – Warten Sie (kramt in seiner Tasche). Wo ist dieser verdammte Ausweis ...? Ah. Ich bin da ganz optimistisch.
Sie wollen nach der Bürgerschaftswahl lieber in Großer Koalition als allein mit Ihrer Partei regieren?
Stimmt. Das habe ich auch im Focus gelesen. Zuerst habe ich das selbst nicht ganz verstanden. Aber mittlerweile leuchtet es mir ein. Die Idee könnte glatt von mir sein.
Die Idee ist von Ihnen.
Na, sehen Sie.
Verstehen Sie denn jetzt, was Sie gesagt haben?
Da bin ich ganz optimistisch.
Vor vier Jahren war eine Große Koalition für Sie noch die zweite Wahl, ...
... stimmt, das habe ich auch gelesen ...
... und vor einigen Wochen haben Sie gesagt, die Koalitionsfrage werde erst am Wahlabend entschieden ...
Richtig. Ist doch gut, was?
Ihren Sinneswandel müssen Sie uns aber erklären.
Na, würden Sie mit diesen Genossen allein sein wollen? Der Beckmeyer (Hafensenator; Anm. d. Red.) hat doch bis heute nicht begriffen, warum die Weser aus Bremen nicht mehr wegzudenken ist. Deshalb kann er sich nach der Wahl auch einen neuen Job suchen. Das gilt auch für Bringfriede (Kahrs, Senatorin für Bildung, Kunst usw.; Anm. d. Red). Die stinkt. Und dann haben ich und Reinhard (Hoffmann, Senatskanzleichef; Anm. d. Red.) überlegt, wer denn außer dem neuen Finanzsenator Reinhard selbst als Senator infrage käme. Uns fielen keine sechs weiteren Leute für den Senat ein (weint).
Was ist mit Ihrem Parteichef Detlev Albers?
Der Detlev hat beim letzten Treffen der Selbsthilfegruppe zwiespältiger Sozis (SZS) unentwegt auf mich eingeredet, daß es noch eine Partei gibt, mit der man in Bremen koalieren kann. Wie hießen die noch gleich? Irgendwas mit g, sowas buntes.
Sie meinen die Grünen?
Stimmt, so hat der Detlev die auch genannt. Aber ich kenne keine Parteien mehr. Nur noch Bremer.
Nicht mal die CDU?
(trocknet sich die Augen und lacht) Das ist doch keine Partei (lacht noch mehr), das ist doch – sehen sich doch mal Jupp Hattig, den Borttscheller und den Perschau an – ein Club süßer kleinwüchsiger Moppel, die nicht mal richtig Deutsch können. Die muß ich als Landesvater einfach ans Herz drücken (breitet seine Arme aus).
Halten Sie es nicht für bedenklich, in einer Demokratie dauerhaft mit einer 80-Prozent-Mehrheit zu regieren?
Wieso 80 Prozent? Wir landen bei 45 Prozent plus. Wie soll die CDU denn auf 35 Prozent kommen. Wenn ich noch zweimal mit denen schmuse, sacken die glatt auf zehn Prozent ab. So sprachlos sind die doch schon jetzt. Klasse Strategie, was?
Durchaus beeindruckend. Aber mit einer rot-grünen Koalition in Bremen könnten Sie der rot-grünen Bundesregierung wieder zu einer Mehrheit im Bundesrat verhelfen. Das müssen Sie doch wollen?
Ich schon, aber der Reinhard hat gesagt, daß ich das nicht will. Und der Gerhard (Schröder, meistens Bundeskanzler; Anm. d. Red.) will das auch nicht. Jedenfalls behauptet er das schon seit vorgestern morgen. Und das klingt doch schon wie eine feste Grundüberzeugung, nicht wahr? Ich hab' das alles noch nicht verstanden, aber irgendwie bin ich auch da ganz, ganz optimistisch.
Herr Scherf, eine abschließende Frage: Was ist mit Ihren Haaren passiert?
Henning Scherf: Ja witzig, was? Eigentlich sollten die Haare rot werden. Aber mein Körper reagiert offenbar allergisch auf Henna und verwandelt alles rote in schwarz. Komische Dinge gehen da zur Zeit in mir vor ...
Dürfen wir mal ihre Zunge sehen?
(Hält sich die Hand vor den Mund) Nö, das geht gerade nicht. Sieht ein bißchen unapettitlich aus. Aber ich bin da ganz optimistisch.
Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Fragen: Franco Zotta, Christoph Köster
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