: Online-Shopping mit bösen Folgen
■ Verbraucherverbände raten beim Einkauf im Internet zur Vorsicht und appellieren an Geschäftsbewußtsein der Anbieter
Berlin (taz) – Stellen Sie sich vor, Sie gehen nur mal kurz in die Drogerie um die Ecke, um ein paar Tampons oder Kondome zu kaufen. Schon am Türknauf werden Ihnen automatisch Fingerabdrücke abgenommen. Videokameras beginnen zu surren, und als Sie mit der Kassiererin ein Pläuschen über ganz private Vorlieben anfangen, merken Sie, daß ein Band mitläuft. Ein paar Tage später steht Ihr Telefon nicht mehr still, und wildfremde Leute wissen nicht nur über die Schwanzgröße Ihres Liebsten, sondern auch über Ihre EC- Geheimzahl Bescheid. Würden Sie noch einmal in diese Drogerie gehen? Oder überhaupt in irgendeine Drogerie? „Darüber haben die meisten Online-Anbieter offenbar noch nicht nachgedacht“, hieß es gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) und des Bundesdatenschutzbeauftragten Joachim Jacob in Bonn. „Wenn die Anbieter im Bereich Daten- und Verbraucherschutz mehr Verantwortungsbewußtsein entwickelten, liefen auch die Geschäfte gleich viel besser“, erklärte Jacobs.
Obwohl sich die Zahl der Internet-Nutzer in Deutschland im vergangenen Jahr mit 8,4 Millionen gegenüber 1997 beinahe verdoppelt hat und viele Online-Anbieter niedrige Preise und einen 24-Stunden-Service anbieten, läuft das elektronische Geschäft nur zögerlich. Grund ist das mangelnde Vertrauen der Kunden in die Datensicherheit und den Kundenschutz. Und das völlig zu Recht.
„Es gibt gravierende Defizite“, faßte AgV-Geschäftsführerin Anne-Lore Köhne zusammen. So seien auf Internetseiten häufig gar keine oder nur unvollständige Anbieteradressen angegeben. „Im Garantiefall oder bei Rückgabewunsch steht der Kunde dann im Regen.“ Auch würden Preise nur unvollständig ausgewiesen und Geschäftsbedingungen erst gar nicht mitgeteilt. Das Problem sei dabei weniger das Gesetz als vielmehr dessen Umsetzung. „Wir haben den Eindruck, daß das Multi- Media-Gesetz bislang nur auf dem Papier besteht“, erklärte Köhne.
Nach Einschätzung der Rechtswissenschaftlers Johann Bizer und des Informationstechnologen Rüdiger Grimm ist das allerdings kein Wunder. Sie kommen in einem Gutachten zu dem Schluß, daß Verstöße gegen die Bestimmungen zum Datenschutz und zur Anbieterkennung „praktisch nicht geahndet“ werden können, weil die rechtlichen Voraussetzungen fehlen: „Eine Internetseite läßt sich nicht verklagen.“
Der Datenschutzbeauftragte appellierte an die Online-Anbieter, Daten nur gezielt und sparsam zu sammeln, und schlug eine Art Datenschutz-Audit vor. „Das könnte dann auch wieder werbewirksam sein.“ Ebenso wie der Verzicht auf die ständige Ablage von Cookies auf der Festplatte von Kunden. Auch im technischen Bereich sei „mehr Eigeninitiative“ gefragt. Softwarefirmen könnten beispielsweise Komponenten anbieten, die dem Internetnutzer deutlich machen, wann seine Persönlichkeitsrechte berührt werden. „Machbar ist das alles längst.“
Letztlich, darin waren sich Köhn und Jacob einig, könne der Verbraucher die Verantwortung aber nicht völlig abgeben – schließlich müsse er die Entscheidung treffen, was er wo kaufe. Und dubiosen Angeboten könne man auch aus dem Weg gehen. „Früher sprach man von Konsumentenmacht.“ Beate Willms
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