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Mit voller Energie!

■ Der Bahnchef will keine Ökosteuer zahlen. Auch keine halbe. Dabei sieht die Energiebilanz seines Unternehmens ziemlich mies aus

Da hat er schon eine Halbierung der Ökosteuern für die Bahn durchgesetzt und ist immer noch nicht zufrieden: Die Steuer soll ganz weg. Einen schlechteren Tag für seinen Protest hätte sich Bahnchef Johannes Ludewig kaum aussuchen können. Nicht nur, daß sich gestern ein weiterer kleiner Zugunfall der Kette der fast täglichen Zwischenfälle in seinem Unternehmen zugesellte, gestern veröffentlichte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Studie, die den Pfeiler der Argumentation des Bahnchefs traf wie ein aus den Gleisen gesprungener Güterwaggon.

Die Experten vom DIW hatten den Energieverbrauch im Verkehrssektor untersucht. Ihr Fazit: „Im öffentlichen Personennahverkehr (ist) der DB-Nahverkehr hinsichtlich des spezifischen Energieverbrauchs“ im Vergleich zu öffentlichem Busverkehr und Schienenverkehr von anderen Unternehmen „kritisch zu beurteilen“. Der DB-Nahverkehr verbraucht pro Person und Kilometer nur noch ein Fünftel weniger an Energie als der Autoverkehr. Und während der private Autoverkehr in den vergangenen 18 Jahren zwar nur um 6 Prozent sparsamer wurde, nahm der spezifische Verbrauch des DB-Nahverkehrs sogar um 15 Prozent zu. Das liegt vor allem an den schwach ausgelasteten und oft schlecht an die Anschlüsse des übrigen Nahverkehr angepaßten Zügen.

Ein schlechter Tag also, um Druck auf die Bundesländer zu machen, einer Ökosteuer für den Nahverkehr nicht zuzustimmen.

Zum Glück liegen Straßen-, Stadt- und U-Bahnen sowie Busse und Züge anderer Nahverkehrsunternehmen deutlich besser: Sie verbrauchen laut DIW-Studie durchschnittlich etwa ein Drittel bis halb soviel wie ein Autofahrer. Doch auch hier gilt: Seit 1978 hat sich hier wenig zum Besseren getan. Im Gegenteil: Der Energieverbrauch stieg im Schnitt um acht Prozent. Das Bißchen, das fürs Energiesparen getan wurde, verpuffte, weil die Fahrttakte erhöht wurden und dadurch die Züge und Busse oft nicht gut ausgelastet sind.

Deshalb fordern Umweltschützer, wie Peter Westenberger vom BUND oder Verkehrwissenschaftler wie Gottfried Ilgmann, eine spürbare Ökosteuer auch für die Bahn. „Die Energie war für die Bahn bislang so preiswert“, urteilt Ilgmann, „daß es keinen Anreiz gab, sparsam damit umzugehen.“ Laut den Berechnungen Ilgmanns für die Ludwig-Bölkow-Stiftung verbraucht die Bahn bei längeren Entfernungen bis 50 Kilometer inzwischen genausoviel Energie pro Person wie bei einem kleinen Mittelklassewagen. Beim Fernverkehr ist die Bahn immerhin dreimal besser als das Auto, aber auch hier holt der Individualverkehr auf.

Während Ludewig erklärte, er müsse wegen der Ökosteuer die Fahrpreise im Nahverkehr um 1,5 Prozent anheben, sprach Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund gestern gar davon, daß die kommunalen Verkehrsbetriebe ihre Fahrpreise um 2 bis 3 Prozent erhöhen müßten, weil sie durch die Ökosteuer mit jährlich mehr als 100 Millionen Mark belastet würden. Diese Angabe wird nicht gerade glaubwürdiger dadurch, daß Landsberg auch vor drei Monaten schon von 100 Millionen Mark Mehrbelastung sprach. Nur daß die Bundesregierung die angepeilte Ökosteuer auf Strom für Schienenfahrzeuge inzwischen halbiert hat. Matthias Urbach

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