: Berliner Bündnisgrüne setzen erst mal auf Zeit
■ Umfrage zeigt die CDU erstmals wieder vor der SPD, keine Mehrheit für Rot-Grün
„Natürlich überstrahlt Bonn im Augenblick alles“, sagt Andreas Schulze, der Landesvorstandsprecher der Berliner Bündnisgrünen. Doch daß der Doppelrücktritt von Oskar Lafontaine die Chancen auf eine rot-grüne Koalition nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Oktober weiter schmälert, diese Einschätzung teilt Schulze nicht. Das hat zwei Gründe: Zum einen sei mit Lafontaines Rücktritt der Machtkampf in der SPD endlich entschieden. „Das Hin und Her wird sich verringern und das wird sich postiv auf das Funktionieren der Regierung auswirken.“ Zum zweiten sei Berlin eben nicht Bonn: Die Berliner Bündnisgrünen hätten immer auch eine kritische Distanz zur Bundespolitik bewiesen. Deshalb werde man „halbgute Entscheidungen“, wie die zum Staatsbürgerschaftsrecht auch weiter kritisieren und im hiesigen Wahlkampf „vor allem mit Berliner Personal“ arbeiten. Außerdem seien die Grünen in Berlin „mit der SPD eher auf Augenhöhe“. „Wir haben hier ein Potential von 13 Prozent, das ist eine andere Ausgangslage als die in Bonn.“
Die jüngste Meinungumfrage, die Forsa in der vergangenen Woche durchgeführt hat, bescheinigt den Grünen 13 Prozent – doch nützen würden sie ihnen nicht. Denn die CDU liegt mit 34 Prozent erstmals seit mehr als einem Jahr wieder vor der SPD. Diese käme auf 32 Prozent – und das reicht nicht. Denn mit insgesamt 45 Prozent hätte Rot-Grün keine Mehrheit. Zu befürchten ist, daß bei einer aktuellen Umfrage die Werte noch schlechter liegen würden: Die Zahlen wurden vor Lafontaines Rücktritt erhoben. Von der Aufbruchstimmung, die nach dem Regierungswechsel nach Berlin schwappte und die Umfragewerte für die SPD nach oben schnellen ließ, ist nichts mehr zu spüren.
Wollen sie eine Mehrheit links von der CDU, müßten sich SPD und Grüne nach der Forsa-Untersuchung also von der PDS unterstützen lassen. „Einen Regierungs- und Politikwechsel wird es ohne die PDS in Berlin nicht geben“, sagt die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau, die seit langem die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung anbietet. Schließlich weiß auch sie, daß „in der Stadt, in der die Mauer stand“, wie es der hiesige SPD-Vorsitzende Peter Strieder verdeutlichte, der Widerstand gegen die PDS besonders hartnäckig ist: SPD und Grüne lehnen eine Tolerierung ab. „Das ist entschieden und wird nicht mehr diskutiert“, sagt Michaele Schreyer, grüne Fraktionsvorsitzende.
Schreyer setzt auf Zeit. „Bis zur Wahl sind es noch sieben Monate, bis dahin wird die Bundesregierung in ruhigeres Fahrwasser kommen und erste Reformen werden spürbar sein“, hofft sie. Für den kommenden Wahlkampf verläßt sie sich weniger auf Bonn als auf die Berliner Verhältnisse: Die Bevölkerung hat „die Nase voll von dem Stillstand der Großen Koalition“. Doch ob Rot-Grün für Veränderung steht, diesen Beweis müssen die Bonner erst noch antreten. Sabine am Orde
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen