piwik no script img

Haftstrafen für kubanische Dissidenten

■ Drei bis fünf Jahre Gefängnis wegen „Aufruhr“. Wichtigster Handelspartner Kanada will Beziehungen zu Kuba überprüfen

Havanna/Berlin (AFP/ips/taz) – In Kuba sind vier führende DissidentInnen wegen „Anstiftung zum Aufruhr" zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Wie das staatliche Fernsehen am Montag unter Berufung auf ein Regierungskommuniqué berichtete, muß der Hauptangeklagte, der ehemalige Kampfpilot und Sohn eines bekannten Kommunistenführers, Vladimir Roca, für fünf Jahre ins Gefängnis. Der Rechtsanwalt René Gómez und der Ingenieur Félix Bonne wurden zu vier Jahren, die Ökonomin Martha Roque zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Mit den Strafmaßen blieb das Gericht unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Ehefrau Vladimiro Rocas, Magaly de Armas, kündigte an, Berufung einzulegen. Die vier Mitglieder der „Arbeitsgruppe der kubanischen Dissidenz" waren im Juli 1997 festgenommen worden, nachdem sie ein regierungskritisches Papier veröffentlicht hatten. Ein Angebot zur Ausreise ins Ausland lehnten sie nach Angaben von Angehörigen ab.

Das Urteil gefährdet Kubas Bestreben, aus seiner internationalen Isolation auszubrechen. Der kanadische Ministerpräsident Jean Chretien kündigte an, die Beziehungen seines Landes zu Kuba zu überdenken. Es sei ein „unglückliches Signal, Menschen wegen friedlicher Proteste einzusperren“. Kanada ist wichtigster Handelspartner der Karibikinsel.

Auch US-Präsident Bill Clinton und Außenministerin Madeleine Albright kritisierten das Urteil scharf. Die Europäische Union arbeitete gestern bei Redaktionsschluß noch an einer gemeinsamen Erklärung, in der sie ihr Bedauern über das Urteil zum Ausdruck bringen will. Unterdessen warf Kubas Staatschef Fidel Castro den USA vor, das Verfahren gegen die Dissidenten für eine „intensive Diffamierungskampagne“ benutzt zu haben.

Der Prozeß gegen die vier Angeklagten hatte Anfang März unter starken Sicherheitsvorkehrungen und unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden. In ihrer Schrift „Das Vaterland gehört allen“ hatten die DissidentInnen das Einparteiensystem Kubas als diktatorisch kritisiert und die Kommunistische Partei in eine Reihe mit Stalin, Hitler und Saddam Hussein gestellt. Sie forderten unter anderem einen Übergang Kubas zur Demokratie und die Legalisierung von privatwirtschaftlichen kubanischen Initiativen.

In der Urteilsbegründung hieß es, obwohl die Angeklagten Kuba „erheblichen Schaden zugefügt“ hätten, habe das Gericht sich streng an die zum Tatzeitpunkt geltenden Gesetze gehalten. Das kubanische Parlament hatte Mitte Februar ein Gesetz verabschiedet, das Informationen an die USA zum Schaden Kubas mit bis zu 20 Jahren Haft bedroht. hedi

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen