: Heiliger Embargobruch
■ Irakische Pilger reisen von Bagdad nach Mekka und verletzen so das UN-Flugverbot
Kairo (taz) – Es war kein allzu langer, wenngleich ein ungewöhnlicher und nach internationalem Recht illegaler Flug. Gestern startete die einzige im Land verbliebene funktionstüchtige irakische Zivilmaschine von einem Militärflughafen im Süden der Hauptstadt Bagdad in Richtung Mekka in Saudi-Arabien. An Bord der russischen IL-76 saßen 110 irakische Pilger, nach Angaben der staatlichen irakischen Nachrichtenagentur Ina vor allem Frauen und ältere Menschen. Prominentester Fluggast war Iraks Minister für Religiöse Angelegenheiten.
Die Reise war ein Verstoß gegen das von der UNO nach dem irakischen Überfall auf Kuwait gegen das Land verhängte Luftembargo. Zudem bewegte sich die Maschine durch die von US-Amerikanern, Briten und Franzosen erklärte südirakische Flugverbotszone.
Daheim in Bagdad bestätigte der Chef der irakischen Fluggesellschaft, man habe niemanden um Erlaubnis zu dem Flug gefragt. Die gleiche Maschine solle noch zwei weitere Male zwischen Bagdad und Mekka hin und her fliegen.
Das Ereignis zur gerade begonnenen Hadsch-Saison, der Pilgerzeit nach Mekka, folgt einem bekannten Szenario: Für die unter einem UN-Luftembrago stehenden arabischen Staaten Irak und Libyen ist diese Zeit immer wieder ein willkommener Anlaß, die Sanktionen zu testen. Bekannt sind inzwischen die vom libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi jährlich initiierten spektakulären Hadsch-Flüge – eine bewußte Verletzung des gegen das nordafrikanische Land im Zusammenhang mit der Lockerbie-Affäre verhängte Luftembargo. Seit dem vergangenen Jahr versucht auch Iraks Staatschef Saddam Hussein auf die gleiche Weise, die UNO und die Golfkriegsalliierten herauszufordern – allen voran die USA. Mit Erfolg. Als die Iraker im letzen Jahr einen ähnlichen Flug starteten, zeigte sich die US-Regierung zwar erbost, der UN-Sicherheitsrat äußerte sich dagegen ziemlich milde und forderte die Regierung in Bagdad nur auf, das nächste Mal gefälligst um Erlaubnis zu fragen.
Der UN-Sicherheitsrat steckt bei den illegal durchgeführten Hadsch-Flügen in der Klemme. Die Pilgerfahrt nach Mekka ist mindestens einmal im Leben jedes Muslim ein religiöses Muß. Vor allem ältere Menschen können sich nicht auf den beschwerlichen Landweg machen. Einen Hadsch-Flug zu unterbinden oder gar anzugreifen, würde in der islamischen Welt zu einem Aufschrei führen.
Das ist der Hauptgrund, warum das inzwischen eingespielte Ritual bisher ohne weitere Folgen geblieben ist. Zu Hause in Tripolis oder Bagdad können derartige Aktionen als kleiner Sieg gegen das Sanktionsregime gefeiert werden. An der Tatsache, daß die US-Luftwaffe nun seit Wochen fast täglich den Irak bombardiert, ändert das allerdings nichts. Karim El-Gawhary
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen