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Hat Guben einen neuen Täter?

■ Weil er vor der tödlichen Hetzjagd auf einen algerischen Asylbewerber Streit mit Skinheads hatte und ein "Flacheisen" bei sich trug, ermittelt die Staatsanwaltschaft Cottbus gegen einen Kubaner

Berlin (taz) – Nach der tödlichen Jagd auf einen algerischen Asylbewerber im brandenburgischen Guben ermittelt die Staatsanwaltschaft Cottbus jetzt gegen einen 38jährigen Kubaner. Er soll an einem Streit vor der Diskothek „Danceland“ beteiligt gewesen sein, bei dem ein deutscher Jugendlicher leichte Schnittwunden erlitt. Etwa zwei Stunden nach der Auseinandersetzung hatten Jugendliche der Gubener Skinhead- Szene zwei Algerier und einen Mann aus Sierra Leone durch die Straßen gehetzt. Der Algerier Omar Ben Noui verblutete auf der Flucht.

Gegen den Kubaner ermittle man wegen schwerer Körperverletzung „aufgrund der Aussagen von Jugendlichen, die beschuldigt werden, an der späteren Hetzjagd beteiligt gewesen zu sein“, sagte die Cottbusser Staatsanwältin Petra Hertwig. Der Mann mit dem Spitznamen „Julio“ sei mit rechten Jugendlichen aneinandergeraten, die sich in der Disco mit Ausländern stritten. Er habe ein „Flacheisen“ dabeigehabt. Unklar sei, ob er damit den deutschen Jugendlichen verletzt habe. „Selbst der Verletzte ist nicht sicher, ob er sich die Schnitte zuzog, als er später davonlief“, so die Staatsanwältin. Man wisse auch nicht, wer den Streit ausgelöst habe.

Selbst wenn der Kubaner angefangen haben sollte, dürfte das die elf Jugendlichen nicht entlasten, gegen die derzeit ermittelt wird. Sie hätten nach der Auseinandersetzung „den Schwarzhäutigen gesucht, der ihren deutschen Kameraden verletzt haben soll“, so die Formulierung der Staatsanwältin. Daß man später irgendeinen Schwarzen jagte, führten die Jugendlichen „nicht auf ein generell fremdenfeindliches Motiv zurück“, es sei vielmehr ein Art Rachefeldzug gewesen. Den Gubener Glatzen dürften solche Interpretationen entgegenkommen, eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung ist ungewiß. Hinter dem Algerier, der auf der Flucht eine Glastür eintrat und sich dabei tödlich verletzte, waren, so Staatsanwältin Hertwig, „keine unmittelbaren Verfolger“.

Als gegenstandslos hat sich seit den Ermittlungen gegen den Kubaner der Tatverdacht gegen einen 18jährigen aus Sierra Leone erwiesen, den die Polizei nach der Hetzjagd stundenlang in Handschellen festhielt, weil er angeblich den Streit vor der Disco ausgelöst hatte. Er wurde in ein Potsdamer Asylbewerberheim verlegt. Constanze von Bullion

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