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Normalzeit

■ Ein Mädchen-Opernball

Mädchen schließen sich zusammen, aber Jungs jagen nach wie vor einsam. Deswegen gelingt es höchstens den Frauen, selbst in allergrößten Zwangsverhältnissen noch Widerstand zu leisten.

Nur ein einziger langer Blick auf eine gemischte Teeny-Geburtstagsrunde kann dies bereits bestätigen. Wobei die „Schönheit“ leider immer wieder arg entsolidarisierend wirkt. Die Techno-Mode, aber auch die Deutsch-Türkinnen bescherten uns zuletzt ein wahres Mädchen-Coming-out, um nicht zu sagen Neo-Fräuleinwunder. Neulich sah ich bereits in Eisenach – anläßlich einer Literaturtagung – eine erste Mädchen-Oper. Etwa 20 spielwütige Jung-Thüringerinnen mimten den miesen Literaturbetrieb mit seinem ganzen männlichen Identitäts-Muff – und stellten sogar noch ein Happy-End dar: indem eine sich selbst, mit Hilfe ihrer Agentin, zur angesagten Femme de Lettre aufschwingt.

Diese Realitäts-Ausflucht wird in Berlin gerade(zu) real durchexerziert. Während Gabriele Riedle sich noch mittels einer (männlich- russischen) Celebrity in die Charts hievt, sind die jüngeren – Elke Natters und Judith Herrmann – bereits voll auf sich allein gestellt. Nur ihr Profi-Umschlagfoto, das die Verlage fast soviel kostet wie die Honorare, hilft. Aber schon drängen ganze „Cliquen“ dräuend ins Brumm-Business.

In Berlin scharren solche vor allem in den Kiez-Kultur-Jugend- Zentren mit den Hufen. Die Treffs tragen meist Namen berühmter Antifas, wie Käthe Seibel-Oberoth, – oder heißen gleich „Die weisse Rose“. Dort hatte gerade die Mädchen-Oper „Liebe(r) in Berlin“ Premiere. Die Autorin und Komponistin, Sarah Siegmann, war mir von der Pressesprecherin der jüdischen Gemeinde, Elisa Klapheck, empfohlen worden. Und zwar aufs angenehmste, deswegen war die Premiere quasi Pflichttermin.

Die in Kalifornien musikalisch ausgebildete Siegmann war einst in Sachsen Topschwimmerin. Die vier Heldinnen der Regisseurin Giuliana Middelhoff hießen Miriam, Anna, Susie und Dana, und außer drei Jazz-Pop-Musikern spielten noch zwei Männer (sich selbst) mit.

Schauplatz war primär die Wohnzimmercouch der Mädchen-WG und ein großes rotes Telefon sowie eine Salsa-Bar. Die über das Girlie-Phänomen hinausgehende Retribalisierung – als virtuelle Heimatfront – hat die vereinzelten „Männer“ als Ethno- Executives revitalisiert: „Der süße Araber“, „Der erotische Latino“ etc. Neulich stand auf der Frauentoilette des Kudamm-Karree sogar schon: „Albaner sind süß!“

Miriam ist auf der Suche nach ihrem Ideal-„Indianer“, Susie tanzt spielfreudig mit einem Schwarzen und singt auch ganz wunderbar. Und uneigentlich will die ganze Mädchen-WG ins Fernsehen kommen, wobei Dana jedoch zu bedenken gibt: „Vielleicht bin ich gar keine Schauspielerin, wenn ich sogar auf so einer Popelbühne versage.“

Am Schluß singen sie jedoch einträchtig das alte Mädchen-Lied, in dem sich „Traum“ auf „nicht klaun“ und „Träume“ auf „nicht versäumen“ reimen. Auch New York taucht darin „megacool“ auf. Deutsche Langhaarige – „Hallo Miriam, wollen wir ans Meer fahren?“ – haben es dagegen schwer: „Ach, Hermann!“ Die wahren Traumtypen finden sich über Kleinanzeigen im Stadtmagazin und beim Tanzen in der Juan-Bar, wo eine Schwangerschaft nur kurz für Depressionen sorgt. Dies in zwei Dutzend kurzen Szenen, die relativ rasant durchgespielt werden, auch der „Indianer-Chor“ kam gut an, der große Saal war voll, und das Publikum leistete nicht enden wollenden Applaus.

Hinterher erfuhr ich: Die Grundcharaktere der vier Mädchen ließen sich dem Elementarsten zuordnen: Miriam – Wasser, Anna – Erde, Susie – Luft und Dana – Feuer. Da war ich vollends baff!

Ende März wird das Stück im „JoJo“ (Torstraße 216) aufgeführt.

Helmut Höge

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