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In der Pilgerstadt der Zukunftstechnik

Neue Übertragungstechniken für Telekommunikation, erweiterte Prozessoren und Internet: Die Cebit 99 bietet 650.000 Besuchern ab heute High-Tech-Neuheiten und vielleicht eine Lösung für den Crash 2000  ■ Aus Hannover Jens Uehlecke

Jedes Jahr im März verwandelt sich Hannover in eine Pilgerstadt. 650.000 Besucher, davon jeder sechste aus dem Ausland, werden dieses Jahr zur Cebit 99 – dem Mekka für Informations- und Kommunikationstechnik – erwartet. Die Messe, die in der globalen High-Tech-Branche als Höhepunkt des Jahres gilt, glänzt wie gewohnt mit Rekorden: 7.508 Aussteller aus 63 Ländern präsentieren ab heute in 26 Hallen die neuesten Entwicklungen, Trends und Ideen der Branche. Damit ist die Cebit nicht nur die bedeutendste Veranstaltung ihrer Art, sondern auch die größte Messe der Welt.

Wie schon 1998 dreht sich auch in diesem Jahr alles um das Wachstumsmedium Internet. Kein Wunder, sind doch mittlerweile rund um den Globus etwa 160 Millionen Computer an das Netz der Netze angeschlossen. Tendenz: weiterhin rasant steigend. Neben neuer auf das Internet zugeschnittener Hard- und Software stehen vor allem neue Übertragungstechniken, die die alte Telefonleitung ablösen werden, im Mittelpunkt.

So präsentiert etwa die Deutsche Telekom das neue ADSL- Verfahren (Asymmetric Digital Subscriber Line), das die Herzen von Internet-Surfern höher schlagen läßt. Mit Hilfe der auf Kupferdraht basierenden Übertragungstechnik können Daten rund 100mal schneller durch die Leitungen geschickt werden als mit dem derzeit verbreiteten ISDN-Standard. Von April an wird die Telekom ADSL zunächst an Geschäftskunden vermarkten, bis zum Ende des Jahres will sie rund 100.000 Kunden von der neuen Technik überzeugen. Wenig begeisternd ist allerdings der angekündigte Preis: Für einen kombinierten ISDN/ADSL-Anschluß verlangt die Telekom monatlich 98 Mark, ein Paket mit 100 T-Online- Stunden kostet 149 Mark.

Ein zweites neues Verfahren stellt der Energieversorger RWE vor. Dessen Ankündigung, zukünftig auch Telekommunikations-Dienstleitungen über sein Stromnetz anbieten zu wollen, sorgte für Furore. Die Technik dafür sei spätestens zur Cebit 2000 marktreif, sagte ein Sprecher. Der Internet-Zugang über die Steckdose, der ebenfalls um ein Vielfaches schneller als ISDN sein wird, solle dann zu einem monatlichen Pauschalpreis angeboten werden. Kritiker bezweifeln allerdings, daß RWE im nächsten Jahr soweit ist. Zu viele Details seien noch ungeklärt: Bevor nicht Stromzähler und Transformatorstationen auf die neue Digitaltechnik umgerüstet und die benötigten Funkfrequenzen genehmigt sind, bleibe Surfen und Telefonieren über das Stromnetz eine Vision.

Handfestes wird dagegen von den zahlreich vertretenen Telefongesellschaften erwartet. Nachdem die Telekom ihre Preise weiter senken durfte, steht die Konkurrenz nun erneut unter Zugzwang. Günstigere Tarife werden auch für das Mobiltelefonieren erwartet: Nachdem E-Plus mit ihrem Tarifkonzept „Time & More“ die Preise auf bis zu 30 Pfennig pro Minute gesenkt hat, steht die Antwort von Telekom-Tochter T-Mobil und Mannesmann D2 noch aus.

Schon etwas in den Hintergrund gerückt ist der Kampf der Prozessor-Hersteller um die Marktherrschaft, doch werden auch auf dieser Cebit wieder neue Chips gezeigt: Marktführer Intel bewirbt seinen neuen Pentium-III-Prozessor, der bereits vor zwei Wochen in die Regale gekommen ist. Das modernste Flaggschiff der Intel- Flotte, das zunächst in einer 450- oder einer 500-MHz-Version erhältlich ist, versteht rund 70 neue Befehle, die vor allem Grafik- und Videoanwendungen beschleunigen sollen. Intel-Rivale AMD kontert mit dem K6-III, der angeblich ähnlich schnell wie das Intel-Pendant ist, aber – wie üblich – wesentlich billiger. Erste Komplettrechner in der 2.000-Mark-Klasse, die mit einem der beiden Prozessoren bestückt sind, gibt es etwa bei Fujitsu Computer oder Compaq zu bewundern.

Letzter großer Themenschwerpunkt ist das Jahr-2000-Problem. Den Datumswechsel ins nächste Jahr werden viele Computer als einen Rückschritt ins Jahr 1900 interpretieren. Als Folge werden Computerausfälle und Rechenfehler erwartet. Zahlreiche Firmen nutzen daher die letzte Gelegenheit, auf der Cebit 99 Programme und Lösungen zu zeigen, die Computer fit für das nächste Millennium machen. Siehe auch Internet, S. 13

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