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Sanfter Kampf gegen die Arbeitslosigkeit

Arbeitsminister Riester hat seine ersten Änderungen der Arbeitsmarktpolitik vorgestellt. Die Drei-Monats-Meldungen für Erwerbslose sollen entfallen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen großzügiger vergeben werden  ■ Von Annette Rogalla

Berlin (taz) – Alle Jahre wieder entdeckt die Regierung die stimmunghebende Wirkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Vor sechs Jahren beschwor der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) die Wende am Arbeitsmarkt, gestern trat sein Nachfolger Walter Riester (SPD) in Bonn auf. Er will einige gesetzliche Verschärfungen, die Blüm ins Sozialgesetzbuch (SGB III) geschrieben hat, zurücknehmen.

Einer der wichtigen Punkte: Künftig müssen sich Arbeitslose nicht mehr automatisch alle drei Monate persönlich bei ihrem Arbeitsamt melden. Dies habe zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand in den Arbeitsämtern geführt, sagte Riester. Allerdings: Arbeitsamtsmitarbeiter können die Klienten künftig kurzfristig und häufiger bestellen.

Das Bundeskabinett will mit seiner Gesetzvorlage erreichen, „Arbeitslosigkeit, da wo es geht, zu vermeiden“, begründete Riester. Hinter den sperrigen Begriffen wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM), Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) verbergen sich manche Erleichterungen für Arbeitslose. Vor der Sommerpause soll das Gesetz den Bundestag passieren, damit es zum 1. August in Kraft treten kann. Der Entwurf sieht im einzelnen folgendes vor:

– Die zumutbaren Pendelzeiten für Vollzeitkräfte werden von drei auf zweieinhalb Stunden täglich verkürzt, bei Teilzeitarbeit von zweieinhalb auf zwei Stunden.

– Arbeitslose müssen künftig nicht mehr zwölf, sondern nur sechs Monate warten, um eine ABM-Stelle erhalten zu können. Bei ABM im gewerblichen Bereich ist geplant, den Vergabevorrang an Wirtschaftsunternehmen zu lockern. ABM in Eigenregie eines Trägers (zum Beispiel Kommunen) soll nun möglich sein, wenn es sich um sozialpädagogisch betreute Maßnahmen für Ältere oder Schwerbehinderte handelt.

– Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM), die bislang nur für Ostdeutschland (einschließlich Berlin) galten, werden auf das gesamte Bundesgbiet ausgedehnt. Allerdings nur, wenn sie in diese Bereiche fallen: Sport, Kultur, Denkmalpflege, städtebauliche Erneuerung, Verbesserung des Wohnumfeldes oder „Verbesserung der wirtschaftsnahen und touristischen Infrastruktur“. Der SAM-Lohnkostenzuschuß darf aber nur bis zu einer Höhe von 80 Prozent des Tariflohns gezahlt werden.

– Arbeitslose, die sich selbständig machen wollen, erhalten künftig auch dann ein Überbrückungsgeld, wenn zwischen dem Bezug des Arbeitslosengeldes und der Selbständigkeit eine kurzfristige Lücke besteht.

– Vor allem in Gesundheitsberufen werden berufliche Weiterbildungen für die volle Dauer der Ausbildung gefördert.

– Besonders ältere Arbeitnehmer in Ostdeutschland und in Arbeitsamtsbezirken mit besonders hoher Arbeitslosigkeit sollen in SAM- Programmen einen Platz finden. Wer 55 Jahre alt ist, soll bis zu fünf Jahre SAM-gefördert werden.

In ihrer Arbeitsmarktpolitik setzt die neue Regierung beherzt auf ABM und SAM. Ob sich die Arbeitslosenstatistiken dadurch wesentlich verändern werden, ist fraglich. Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung eine Studie, wonach ABM-Teilnehmer im Vergleich mit Arbeitslosen, die nicht an einer AB-Maßnahme teilgenommen hatten, schwieriger einen regulären Arbeitsplatz fanden. Die ABM-Teilnehmer hätten sich nur in geringem Maße weiterqualifizieren können, sagen die Forscher. Mangelnde Qualifikation sei aber eine der Hauptursachen für Arbeitslosigkeit.

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