: Dritter Reemtsma-Entführer stellt sich der Justiz
■ Pjotr L., bei der Entführung der „Mann fürs Grobe“, hat inzwischen ein Geständnis abgelegt
Hamburg (taz) – Er kam mit seinem Anwalt und der Absicht auszupacken. Der 32jährige Pjotr L. stellte sich am Dienstag abend in Hamburg der Justiz mit der Erklärung, er sei an der spektakulärsten Entführung der deutschen Kriminalgeschichte beteiligt gewesen. Zusammen mit dem mutmaßlichen Kopf der Aktion, dem in Argentinien einsitzenden Kölner Thomas Drach, habe er am 25.März 1996 den Multimillionär Jan Philipp Reemtsma vor dessen Haus in Hamburg niedergeschlagen und verschleppt.
Der 32jährige mit der kräftigen Figur (1,85 Meter/115 Kilogramm) hat inzwischen ein Geständnis abgelegt. Er sei für 15.000 bis 20.000 Mark als „Mann fürs Grobe“ angeheuert worden. Ihm sei erzählt worden, daß jemand überwältigt und gefangengenommen werden solle, der seine Schulden nicht begleichen wolle, sagte L. bei der Staatsanwaltschaft aus.
In der Folgezeit hat der bullige Pole nach eigenen Angaben Reemtsma in dem Kellerverlies in einem Haus in Garlstedt bei Bremen bewacht, wenn Drach unterwegs war. Als eine Geldübergabe in der Nacht zum 14. April 1996 im Raum Trier/Luxemburg scheiterte, will er ausgestiegen sein – gegen Drachs Willen und obwohl dieser ihm mehr Geld bot.
Pjotr L. tauchte in Spanien unter. In den vergangenen Monaten setzten ihm offenbar vor allem die Ermittlungen des von Reemtsma beauftragten Sicherheitsunternehmens „Espo“ zu. Reemtsma-Anwalt Johann Schwenn bestätigt dies: „Espo hat intensiv in dem kriminellen Milieu nachgeforscht, in dem sich der Mann bewegte.“
Die Fahnder des Hamburger Landeskriminalamtes sehen sich in ihrer Strategie bestätigt. Sie hatten den 32jährigen durch intensive Ermittlungen in seinem privaten Umfeld unter Druck gesetzt. Dreimal wurde allein L.s Freundin vernommen. Während Reemtsmas Geiselhaft war die Frau elfmal von dem Haus in Garlstedt aus angerufen worden. Sie wiederum rief später häufiger in Spanien an. Das brachte LKA- und Espo-Ermittler auf die Fährte des Gesuchten, der sich in Barcelona mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hielt.
Angeblich hat die Freundin jetzt auch darauf gedrängt, daß sich der 32jährige stellt. Bei der Staatsanwaltschaft sagte der mutmaßliche Kidnapper aus, er wolle „einen Schlußstrich ziehen und ein neues Leben beginnen“.
Für die Ermittler ist das eine billige Ausrede: „Der konnte gar nicht anders. Der mußte sich stellen, um seiner Festnahme zuvorzukommen.“ Sven-Michael Veit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen