Rechter Paß im Kickerdreß

Die 32jährige Deutschtürkin Filiz Üstbas posiert als Covergirl für den Kommunalwahlkampf der rheinland-pfälzischen CDU – und gegen den Doppelpaß  ■    Von Heide Platen

Mainz (taz) – Oben auf der Tribüne des Mainzer Landtags sitzt Filiz Üstbas und denkt: „Die werden gleich alle aufeinander losgehen.“ Die 32jährige Bonnerin ist zum ersten Mal in ihrem Leben zu Gast bei einer Plenardebatte. Das Thema betrifft sie direkt.

Alle vier Parteien haben Anträge zum Thema doppelte Staatsbürgerschaft gestellt. Der Konsens zwischen den RednerInnen von SPD, FDP und CDU ist trotz aller gegenseitiger Beharkerei und Polemik längst festgezurrt. Nur die Grünen opponieren. Die SPD äußert sich kritisch zum ersten Entwurf der Bundesregierung, die anderen signalisieren Einlenken. Alle Abgeordneten danken sich gegenseitig, bevor sie übereinander herfallen. Der Rest ist Ritual.

Das kann Filiz Üstbas nicht wissen. Sie sitzt starr da, preßt die Hände zusammen und starrt entgeistert ins Forum.

Filiz Üstbas macht Furore, weil sie als Cover-Girl für 250.000 Faltblätter und eine flächendekkende Plakatierungsaktion der rheinland-pfälzischen CDU für die Kommunalwahlen im Juni posiert. Auf der Rückseite ist die Unterschriftenliste abgedruckt: „Ja zur Integration – Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft.“ Vorne läßt Üstbas wissen: „Ich habe mich in die Mannschaft von Christoph Böhr integriert, weil mich die SPD mit dem Doppelpaß nur einkaufen will.“

Im rot-weißen Dreß des heimischen Fußballklubs Mainz 05, 2. Bundesliga, kickt sie den Ball, „Mittendrin statt voll daneben!“, in die linke Ecke, ballt dabei mit energiegeladener Geste die Fäuste und lacht strahlend vor blauem Hintergrund in die Kamera. Dabei, sagt sie, kann sie gar nicht Fußball spielen. Aber die Idee sei eine von mehreren zum Thema Doppelpaß gewesen und habe nicht nur ihr, sondern vor allem ihrem zehnjährigen Sohn am besten gefallen.

Üstbas ist im Alter von vier Jahren aus Istanbul nach Deutschland gekommen. Ihre Eltern, von Beruf Koch und Schneiderin, hatten 1966 in Deutschland Arbeit gefunden. Seit zwei Jahren hat Feliz einen deutschen Paß, ihre Eltern weiter den türkischen: „Die wollen das nicht mehr. Das ist ihnen in ihrem Alter zu viel Bürokratenkrieg und dauert zu lange.“

Filiz Üstbas ist nach neun Jahren Ehe geschieden und kämpft sich als alleinerziehende Mutter durch: „Das ist hart.“ Ihr Abitur hat sie auf dem zweiten Bildungsweg gemacht, nachdem sie in einer kieferorthopädischen Arztpraxis als medizinische Assistentin gearbeitet hatte. Helfen und Dienen, stellte sie fest, sei nicht ihre Berufung gewesen: „Ich wollte in die Wirtschaft!“ Jetzt studiert sie in Bonn Marketing. Das, sagt sie, habe „von allem etwas“, Betriebswirtschaft, Werbung, Ökonomie. Sie finanziert ihr Studium unter anderem damit, daß sie Deutschen privat Türkischunterricht gibt.

Eigentlich ist Filiz Üstbas eine selbstbewußte Frau. Nur bei der Pressekonferenz, die sie im Vorfeld der Landtagsdebatte Mitte März zusammen mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Christoph Böhr gibt, tritt sie schüchtern, steif und hölzern auf. Eher schmal als fußballdynamisch sitzt sie, dezent geschminkt und im dunklen Hosenanzug, mit am Tisch und lächelt kaum.

Ihr Statement dauert keine drei Sätze. Ständig wird sie vom Büroleiter der Partei, Markus Hebgen, gegen aufdringliche oder zu neugierige Journalisten abgeschirmt. Erst in der Kantine, als der offizielle Teil ihres Besuches vorbei ist, kommt sie beim Schokoladeneis aus ihrem Schneckenhaus heraus und erzählt, wie sie in die CDU gekommen ist.

Ihr Engagement habe nicht erst mit dem Posieren für den Doppelpaß, sondern schon früher begonnen. In Nordrhein-Westfalen arbeitet sie seit anderthalb Jahren beim Deutsch-Türkischen Forum für die CDU. Nur zum Parteieintritt habe sie sich erst im Januar entschlossen. Daß die Wahl als Model auf sie fiel, habe nichts mit Casting und nur wenig mit gutem Aussehen zu tun gehabt. Sie sei Christoph Böhr aufgefallen, weil ein Interview über Integration, an dem sie sich zusammen mit Menschen elf anderer Nationalitäten beteiligt hatte, in der Welt abgedruckt worden war.

Filiz Üstbas plädiert für die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft, sie will sich zu ihrem Heimatland bekennen: „Ich bin jetzt nicht mehr in meinem Bewußtsein gespalten.“

Zur Bewertung der Landtagsdebatte lernt sie nach der ersten Überraschung blitzschnell Diplomatie. Der „ganz schnelle Wechsel“ zwischen „Emotionalität und sachlicher Diskussion“ habe sie, sagt sie zum Abschied, „am meisten beeindruckt“. Der Rest vom Schokoladeneis bleibt stehen.